Im Speckgürtel: Umkämpfte Baugründe vor der Stadt

Alles, was noch halbwegs in Pendlerentfernung zu Wien liegt, sei mittlerweile schwer gefragt.
Alles, was noch halbwegs in Pendlerentfernung zu Wien liegt, sei mittlerweile schwer gefragt.(c) Bilderbox
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Bessere Verkehrsanbindungen, neue Arbeitswelten und steigende Preise in Wien sorgen im Umland für einen Markt, bei dem die Nachfrage das Angebot übersteigt.

Wer noch vor wenigen Jahren behauptet hätte, 2018 würden um Grundstücke in Deutsch-Wagram und den umliegenden Ortschaften regelrechte Bieterwettbewerbe ausbrechen, dürfte wohl gröbere Probleme gehabt haben, im Immobilienkreisen ernst genommen zu werden. Inzwischen ist dieses Szenario aber durchaus in der Realität angekommen, wie Jürgen Grabmüller, Verkaufsleiter Niederösterreich der Immo-Contract, berichtet: „Im direkten Speckgürtel sind Baugründe heute schwer zu bekommen, weil man als Privater dort im Wettbewerb mit den Bauträgern steht“, erklärt er. „Und das geht auch schon über diesen Bereich hinaus.“

Pokern in Deutsch-Wagram

Alles, was noch halbwegs in Pendlerentfernung zu Wien liegt, sei mittlerweile schwer gefragt. „Vor allem dann, wenn der Grund groß genug ist, dass ein Doppelwohnhaus möglich ist, denn dann wird es auch für kommerzielle Bauträger interessant.“ Was den Konkurrenzkampf unter potenziellen Erbauern des klassischen Einfamilienhauses naturgemäß verschärft und zu spannenden Ansätzen bei den Verkäufern führt, wie Grabmüller berichtet: „Wir hatten den Fall gerade in Deutsch-Wagram, ein Verkäufer hatte einen interessanten Grund um 255.000 Euro inseriert und bekam sofort Erstangebote von 300.000 Euro“, so der Makler. „Da war die Intention schon von Anfang an entsprechend, das wäre vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen.“ Heute würde er seinen Kunden, die einen Grund verkaufen wollen, allerdings fast zu diesem ungewöhnlichen Ansatz raten, so Grabmüller. Denn wenn man statt eines überhöhten Preises einen attraktiven wähle und damit eine größere Anzahl potenzieller Interessenten anlocke, „können am Ende so gute Angebote dabei herauskommen, dass es einem fast die Sprache verschlägt“. Erzielen kann man diese Preise überall dort, wo sich die Pendlerentfernung nach Wien noch im erträglichen Rahmen bewegt. „Dazu gehören unter anderem Orte wie Gänserndorf, Korneuburg und St. Pölten Land“, berichtet auch Bernhard Reikersdorfer, Geschäftsführer von Re/Max Austria. „Dort wird derzeit sehr viel gebaut, auch wenn das natürlich nicht alles Eigentum ist.“ Denn neben den Familien, die sich den Traum vom Einfamilienhaus im grünen Umfeld von Wien erfüllen, entdecken auch mehr und mehr Käufer von Vorsorgewohnungen und Mieter die Vorteile des Speckgürtels – wo sich um die Wiener Preise ein Zimmer mehr und ein Balkon ausgehen. Und die Pendelei nicht nur kürzer wird, sondern auch gar nicht mehr täglich notwendig ist oder sinnvoll genutzt werden kann. „Die besseren Verbindungen, durch die man heute 25 bis 30 Minuten für Strecken braucht, die früher 40 bis 45 Minuten gedauert haben, spielen dabei sicher eine Rolle. Aber auch neue Arbeitsmöglichkeiten wie das Homeoffice“, sagt Reikersdorfer.

Erste Baustopps

Umstände, die den einst so belächelten äußeren Speckgürtel inzwischen zu einem Markt gemacht haben, „in dem momentan die Nachfrage höher ist als das Angebot“, wie Reikersdorfer erklärt, und einige Gemeinden sogar Baustopps verhängen, weil die Infrastruktur gar nicht schnell genug mit den Projekten mithalten kann.

Nicht ganz so hitzig wie entlang der Westbahnstrecke und in Richtung Norden zeigt sich die Situation südlich von Wien. Zwar ist das Wohnen hier „im Schnitt immer noch 30 bis 50 Prozent günstiger als in Wien“, wie Helfried Mück, Inhaber von Engel & Völkers Mödling, berichtet. Aber das war immer schon so. Und anders als in den erweiterten Speckgürtelzonen beginnen die Preise „für halbwegs schöne Einfamilienhäuser bei einer halben Million aufwärts“, so Mück. Wohnungen wurden hier 2017 sogar weniger gebaut und gekauft als im Jahr zuvor. (sma)

Trend 1

Trend 2

Was sich tut im Wiener Umland

Mehr und teurer. Laut dem Re/Max-Immobilienspiegel wurden im Jahr 2017 in Niederösterreich 5893 Käufe von Eigentumswohnungen verbüchert. Das entspricht einem Zuwachs von sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Der durchschnittliche Wohnquadratmeter-Preis lag dabei bei 2650 Euro, was einem Zuwachs von 9,2 Prozent entspricht.

Wer wagt, gewinnt. Die hohe Nachfrage sorgt inzwischen bei Grundstücksverkäufen sogar für Strategien, die man sonst nur aus überhitzten Großstadtmärkten kennt: Mit einem eher zu niedrig angesetzten Preis wird eine große Anzahl an Interessenten angelockt, die dann in einem Bieterwettbewerb den Preis kräftig in die Höhe treiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2018)

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