Wien-Mauer: Villenviertel und Vorstadtambiente

Architektin Ingrid Zdarsky in ihrem Wiener Lieblingsgrätzel.
Architektin Ingrid Zdarsky in ihrem Wiener Lieblingsgrätzel.(c) DIMO DIMOV
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In Mauer verbrachten früher wohlhabende Wiener Familien den Sommer. Das merkt man bis heute, an der Architektur, am Flair. Und Weinbau wird auch noch immer betrieben.

Mauer – damit verbindet jeder gelernte Wiener in erster Linie Heurige und Architekturinteressierte vielleicht noch die Wotruba-Kirche. Kaum jemand weiß, dass sich hier das älteste österreichische Industriedenkmal befindet. Und zwar ein wirklich altes: Etwa 4000v.Chr. wurde hier rotpatinierender Radiolarit zur Herstellung von Feuersteingeräten abgebaut.

Seit dem Mittelalter – Archäologen vermuten sogar seit rund 700 v. Chr. – wird in Mauer Wein angebaut. Bis heute ist der Weinbau einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren geblieben. Und wo es Wein gibt, bleiben Menschen nicht lang aus. Im Biedermeier wurde Mauer für die wohlhabenden Wiener zu einem beliebten Sommerfrischeort. Davon zeugen etwa heute noch der Freisinger Hof, die 1527 erstmals genannte und um 1840 umgebaute Gutsverwaltung des Bistums Freising, oder das Gräflich Breda'sche Landhaus in der Maurer Lange Gasse, das um 1850 von Ludwig Förster fürLudwig Graf Breda erbaut wurde.

Da beschaulich, dort feudal

Bis heute hat sich Mauer eine gewisse biedermeierliche Beschaulichkeit erhalten. Der Bezirk hat nach wie vor das Flair einer vornehmen Vorstadt, wovon auch die vielen Einfamilienhäuser und die feudalen Villen, die zwischen 1860 und 1900 erbaut wurden, zeugen. Es ist auch ein sehr grüner Bezirk, der im Westen direkt an den Maurer Wald grenzt.

Ingrid Zdarsky, Architektin, kam wie so viele aus dem fernen Kärnten zum Studieren nach Wien. Seit den späten 1970er-Jahren lebt sie in Mauer. „Der Hauptgrund war, dass ich meine Kinder in die Rudolf-Steiner-Schule geben wollte und keine Lust hatte, jeden Tag Chauffeurdienste zu leisten. Und dass es mich ins Grüne zog.“ Ein Jahr lang suchte die Architektin für ihre Familie ein Domizil in Mauer. Und wurde schließlich fündig, in der Anton-Krieger-Gasse. „Ich habe ein altes, 1912 erbautes Haus gefunden, in das ich mich sofort verliebt habe. Es war vermutlich der Sommersitz einer Wiener Familie, möglicherweise hat man auch Weinbau betrieben. Ganz besonders angetan war ich vom hölzernen Salettl im Garten“, erzählt sie. Das gibt es noch immer, sonst wurde das Haus von Zdarsky und ihrem mittlerweile verstorbenen Mann, ebenfalls einem Architekten, für die fünfköpfige Familie umgebaut und erweitert, „während wir schon drin gewohnt haben, wovon man als Architekt ja jedem abrät“, erinnert sie sich nicht gerade gern an diese Umbauarbeiten.

Heute sind die Kinder aus dem Haus, die Liebe zu Umbauten und zu Holz ist geblieben. „Ich habe in den vergangenen Jahren sehr viele Zu- und Umbauten geplant und verwirklicht, vor allem im sozialen Bereich“, konstatiert sie. Fast alle, auch die Neubauten (sie hat etwa in Gaaden und Kaltenleutgeben Häuser für betreutes Wohnen gebaut), sind Holzbauten oder haben einen großen Holzanteil.

„Stonehenge in Mauer“

Mauer will sie nicht mehr verlassen. „Ich lebe sehr gern hier. Für mich ist es wichtig, Natur um mich zu haben, das inspiriert mich und gibt mir Ruhe. Ich fahre lieber für kulturelle Events in die Stadt, als mich erst ins Auto setzen zu müssen, um ins Grüne zu gelangen“, umreißt Zdarsky ihr Lebensgefühl.

Besonders gern geht sie in den Maurer Wald und zur Wotruba-Kirche. „Als ich sie das erste Mal gesehen hab – noch unfertig, da hat sie mir am besten gefallen –, war ich baff und habe mich gefragt, was Stonehenge auf einmal in Mauer macht“, erzählt sie lachend. Auch sonst findet sie Mauer äußerst lebenswert. „Meine Umgebung bietet mir alles, was ich brauche. Die Infrastruktur ist intakt, es gibt genug Geschäfte für den täglichen Bedarf. Und ich besuche sehr gern die Heurigen hier. Der Wein ist so gut wie das Essen – und sie sind klein, überschaubar und familiär.“

ZUM ORT, ZUR PERSON

Mauer wurde schon um 1210 erwähnt, 1927 wurde der Ort zur Marktgemeinde. Seit 1938 gehört er zum Bezirk Liesing. Hier kostet eine neue Eigentumswohnung in guter Wohnlage zwischen 3200 und 3866 Euro/m2, in sehr guter Lage bis zu 4500 Euro/m2.

Ingrid Zdarsky, geboren in Kärnten, ist Architektin und wohnt seit den späten 1970er-Jahren in Mauer. Einige Projekte: Institutsgebäude Julius-Raab-Stiftung; Neubau für betreutes Wohnen, Gaaden; Zubau Karl-Schubert-Schule.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2018)

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