Wiens erster Platz mit Alkoholverbot

Ein tägliches Bild. Die Polizei muss am Praterstern immer wieder eingreifen. Ein Alkoholverbot soll die Situation zumindest etwas beruhigen.
Ein tägliches Bild. Die Polizei muss am Praterstern immer wieder eingreifen. Ein Alkoholverbot soll die Situation zumindest etwas beruhigen.ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com
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Der Bahnhof Praterstern gilt als Wiener Brennpunkt. Um die Lage zu entschärfen, verordnet der designierte Bürgermeister Michael Ludwig das erste Alkoholverbot auf einem öffentlichen Platz in Wien – nach dem Vorbild München.

Er ist einer der wichtigsten Plätze der Stadt. Zumindest verkehrstechnisch. Bis zu 150.000 Menschen frequentieren täglich den Praterstern – einen Wiener Verkehrsknotenpunkt, der Schnellbahnen aus dem Umland mit U-Bahn-Linien, Bus- und Straßenbahnlinien verbindet.

Er ist auch der problematischste Platz der Stadt: Alkoholexzesse, Schlägereien, Drogenhandel. Eine parlamentarische Anfragebeantwortung aus dem Vorjahr sprach (für 2016) von fast 13.000 Polizeieinsätzen am Praterstern. Die Spezialeinheit Wega musste dabei rund 300 Mal ausrücken. Oft versammeln sich nach Einbruch der Dämmerung an einem Ort bis zu 50 junge Männer, die als sozial herausfordernd bezeichnend werden können – was das subjektive Sicherheitsgefühl dort senkt. Vor allem bei Frauen.

Vor wenigen Wochen sorgte eine Messerattacke in der Praterstraße österreichweit für Entsetzen, als ein 23-Jähriger aus dem Praterstern-Umfeld eine (ihm völlig unbekannte) Familie auf offener Straße niederstach. Ebenso große Wellen schlug die Gruppenvergewaltigung einer Studentin am Praterstern vor mehr als einem Jahr – vor Gericht erklärten die Täter: „Wir waren betrunken.“


Was das Alkoholverbot bedeutet. Nun gibt es einen überraschenden Vorstoß, die Situation zu entschärfen. Der designierte Bürgermeister Michael Ludwig verhängt ein Alkoholverbot am Praterstern, das in den nächsten Tagen in Kraft treten soll. Seine Begründung: „Jede Frau, jeder Mann und jeder Jugendliche soll sich in dieser Stadt sicher fühlen.“ Der Auslöser für diese Maßnahme waren nicht nur entsprechende Medienberichte. Er sei vor einer Woche persönlich am Praterstern gewesen, habe sich die Situation vor Ort angesehen und mit Passanten, Anrainern und Geschäftsleuten geredet, erklärt Ludwig. Seine Erkenntnis: Es könne nicht sein, dass große Teile der Wiener Bevölkerung, die diesen Verkehrsknotenpunkt benutzen müssen, sich nicht sicher fühlen könnten. Es müsse am Praterstern etwas gemacht werden.

Die Details: Wer sich am Praterstern im öffentlichen Bereich niederlässt um Alkohol zu konsumieren, sich also etwa mit einer Flasche Wein auf eine Bank setzt, wird von der Polizei verwiesen. Diese kann den Alkohol auch beschlagnahmen. Die Regelung betrifft also nicht die Besucher der dortigen Lokale, auch nicht Personen, die etwa mit einer Dose Bier nur über den Praterstern in Richtung Prater gehen.

Konkret geht es darum, die hohe Dichte an alkoholisierten Personen, die am Praterstern für Probleme sorgen, zu senken. Es soll also eine bessere Verteilung erreicht werden – außerhalb dieser Sperrzone dürfen diese Personen, meist Alkoholkranke aus EU-Ländern, Alkohol konsumieren. Dass sich die Szene dadurch nur verlagert, zum Beispiel in Richtung Prater, glaubt Ludwig nicht: „München hat im Jänner 2017 ein derartiges Alkoholverbot eingeführt. Dort hat es keinen Verlagerungseffekt gegeben.“ Auch die Erfahrungen in anderen österreichischen Städten seien gut: „Bei der Neugestaltung des Karlsplatzes, der damals ein Problem war, ist das auch befürchtet worden. Es ist aber nicht eingetreten“, erklärt Ludwig. Und: Sozialarbeiter sind in dieses Konzept entsprechend eingebunden, um Betroffene entsprechend zu betreuen.

Mit dem Alkoholverbot wird es am Praterstern zahlreiche Begleitmaßnahmen geben, um das subjektive Sicherheitsgefühl zu erhöhen. Das betreffe beispielsweise die Gestaltung des öffentlichen Raums, wie Ludwig erklärte. Daneben wird die Nutzung des Gratis-WLAN am Bahnhof zeitlich begrenzt. Eine Maßnahme, welche die ÖBB bereits beim Westbahnhof umgesetzt hat. Wegen „Streitereien unter männlichen Jugendlichen“, wie es formuliert wurde. Also Gruppen, die den Bahnhof (wegen des unbegrenzten WLAN) als ständigen Aufenthaltsort genutzt hatten und unter denen es (oft unter Alkoholeinfluss) immer wieder zu Auseinandersetzungen kam.

Ludwig möchte ebenfalls die aufgelassene Polizeiinspektion direkt am Praterstern reaktivieren. Dafür bietet er dem (dafür zuständigen) Innenministerium auch „jede Unterstützung“ seitens der Stadt Wien an.

Nebenbei: Das Alkoholverbot am Praterstern ist als einmaliges Pilotprojekt angelegt und wird nach einem halben Jahr evaluiert. Es erfolgt in Abstimmung mit Polizei, ÖBB, Wiener Linien und Sozialarbeit. Eine Ausweitung des Alkoholverbotes auf andere Plätze in Wien ist derzeit nicht angedacht.


Ludwig forciert Sicherheitsthema. Das Alkoholverbot am Brennpunkt Praterstern, das Anrainer sowie eine Bürgerpetition bereits in der Vergangenheit gefordert hatten, argumentiert Ludwig auch mit einem Lieblingsbegriff seines Vorgängers Michael Häupl: Es gebe eine Wiener Hausordnung und die müsse eingehalten werden – von allen. Also Regeln für ein gemeinsames friedliches Zusammenleben. „Und ich fühle mich dem Thema Sicherheit besonders verpflichtet“, erklärte Ludwig: „Es ist ein zentrales Thema, das ich als Bürgermeister persönlich auch weiter betreuen werde.“ Was das heißt? Er, Ludwig, werde zwar kein Ressort übernehmen, weil Wien gleichzeitig Land und Stadt sei. Als Bürgermeister werde er sich bei dem Thema Sicherheit aber immer wieder persönlich einbringen, kündigte Ludwig an.

Apropos Bürgermeister. Rein formal kann Ludwig das Alkoholverbot am Bahnhof Wien-Praterstern nicht verordnen, weil er erst am 24. Mai zum Wiener Bürgermeister gewählt wird. Deshalb wird die Maßnahme in Absprache mit Noch-Bürgermeister Michael Häupl verhängt. Also mit der Unterschrift Häupls.

Michael Ludwig

Der designierte Wiener Bürgermeister Michael Ludwig beginnt bereits vor seiner Angelobung am 24. Mai politische Akzente zu setzen. Als (ein) Schwerpunkt seiner künftigen Politik zeichnet sich immer stärker das Sicherheitsthema ab. Dazu passt sein Vorstoß für ein Alkoholverbot am Bahnhof Wien-Praterstern, das in den nächsten Tagen in Kraft tritt.

Problemfeld Praterstern. Das Areal rund um den Bahnhof gilt als einer der größten sozialen Brennpunkte in Wien. Die Polizei muss dort täglich dutzende Male eingreifen, dazu müssen zusätzlich oft Polizei-Sondereinheiten eingreifen. Die Problemfelder reichen von Schlägereien und Drogenhandel bis zu Auseinandersetzungen, ausgelöst durch schwer alkoholisierte Personen.

Praterstern

1865. Der Nordbahnhof, der wichtigste Bahnhof des Habsburgerreichs, wird eröffnet.

1959. Auf dem Areal entsteht der Bahnhof Wien-Praterstern. Er übernimmt die Aufgabe des Nordbahnhofs.

2004. Der veraltete, heruntergekommene Bahnhof wird für die Fußball-EM 2008 saniert und 2007 wiedereröffnet.

2018. Seit Jahren ist der Verkehrsknotenpunkt wieder eine soziale Problemzone. Mit einem Alkoholverbot im öffentlichen Bereich soll die Situation nun entschärft werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2018)

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