Bevölkerung: Europa schrumpft, Afrika und Asien wachsen

(c) Illustration: Lillian Panholzer (Die Presse)
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Die Umverteilung der Welt: Bis 2050 wird Europa schrumpfen, während die Bevölkerungszahl in Afrika und Asien wächst. Das erhöht den Migrationsdruck und verändert die globale Machtbalance.

In Österreich bleibt unterm Strich alles nahezu unverändert. Diese Woche hielt die Statistik Austria dem Land den Spiegel vor. 8,375 Millionen Einwohner hat die Republik, ein leichtes Plus von 0,2 Prozent oder 19.600 Personen im Vergleich zum Vorjahr. Auch in den nächsten 40 Jahren wird die Bevölkerungszahl keine großen Sprünge machen: Wenn die Prognosen der UNO stimmen, dann werden im Jahr 2050 zwischen Wien und Bregenz 8,515 Millionen Menschen leben. In anderen Ecken der Welt werden sich jedoch dramatische Entwicklungen abspielen.

Es sind zwei gegenläufige demografische Wellen, die den Globus erfassen. Während sich in Afrika und Asien die Bevölkerungsexplosion fortsetzt, entvölkert sich der Osten Europas regelrecht. Die einstige Supermacht Russland wird in 40 Jahren nur noch 116 Millionen Einwohner haben, um fast 25 Millionen weniger als heute. Bulgarien verliert mehr als ein Viertel seiner Bevölkerung, Polen schrumpft um 16 Prozent, Rumänien um fast 19.

Deutschland wird weniger

Auch Mitteleuropas Riese wird merklich kleiner. Im Jahr 2050 wird Deutschland den Berechnungen der UNO zufolge nur noch 70,5 Millionen Einwohner haben, um zwölf Millionen weniger als in diesem Jahr. Wobei: Der europäische Trend ist nicht gleichmäßig verteilt. Skandinavien etwa wird wachsen, auch Frankreich und Irland. Dort ist die Geburtenrate noch relativ hoch, dort gleicht zum Teil noch, so wie in Österreich, Zuwanderung den Bevölkerungsschwund aus.

Ein Allheilmittel sei Zuwanderung für alternde Gesellschaften jedoch nicht, sagt der Migrationsforscher Heinz Fassmann zur „Presse“. Europa altere so stark, dass Zuwanderung nicht ausreiche, um diesen Prozess zu stoppen. Die Vergreisung hat enorme Folgewirkungen auf die Sozialsysteme der westlichen Wohlfahrtsstaaten. 2050 wird es auf dem Kontinent 120 Millionen Arbeitnehmer weniger geben, sie werden aber mehr Pensionisten erhalten und pflegen müssen. Die Zahl der über 60-Jährigen wird um gewaltige 47 Prozent steigen.

Zudem geht in einer überalterten Gesellschaft auf Dauer auch die Innovationskraft verloren. „Wenn Europa nicht noch viel stärker in Bildung und Forschung investiert, werden wir vermutlich bald von den Schwellenländern abgehängt werden“, warnt der Demografie-Experte Wolfgang Lutz.

Gewicht nach Asien verlagert

Schon jetzt verlagert sich das wirtschaftliche und politische Gewicht in Richtung Asien. In der jüngsten Ausgabe von „Foreign Affairs“ rechnet der US-Politologe Jack Goldstone vor, dass der Anteil an der Weltproduktion, den Europa, die USA und Kanada beisteuern, in 40 Jahren unter 30 Prozent liegen wird. Im Jahr 2003 lag dieser Wert noch bei 47 Prozent.

Europa muss sich darauf einstellen, dass seine Wirtschaft in Zukunft ebenso schrumpfen könnte wie seine Bevölkerungszahl. Die neuen konsumfreudigen Mittelschichten entstehen millionenfach anderswo: in aufstrebenden Mächten wie China, Indien, Brasilien oder auch Indonesien. Sie werden den Takt noch stärker mitbestimmen als jetzt schon.

Auch die USA werden deshalb wohl an Gewicht verlieren, aber nicht so stark wie Europa. Die US-Bevölkerungszahl dürfte nämlich in den nächsten 40 Jahren von derzeit 314 Millionen auf 404 Millionen zunehmen, dank einer Geburtenrate von 2,0 Kindern pro Frau und Zuwanderung.

Der Migrationsdruck wird steigen, vor allem auch auf Europa. Denn im benachbarten Afrika werden 2050 zwei Milliarden Menschen leben, doppelt so viele wie heute, die meisten, einem weltweiten Megatrend folgend, in Städten.

Es wird eng auf der Welt. Insgesamt werden in 40 Jahren vermutlich mehr als neun Milliarden Menschen den Planeten bevölkern, heute sind es 6,8 Milliarden, 1950 waren es gerade einmal 2,5 Milliarden. Der Kampf um Rohstoffe wie Öl oder auch Wasser wird sich verschärfen, die Umweltverschmutzung vermutlich zunehmen. Ernährbar sind aber auch 9,1 Milliarden Menschen. Davon ist der Agronom Markus Hofreiter überzeugt. „Es kommt nur darauf an, Ressourcen gut einzusetzen.“

Und nach 2050, so die Hoffnung, soll das weltweite Bevölkerungswachstum ohnehin abflachen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2010)

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