Wort der Woche

Leberschäden durch Grüntee-Extrakte

Die Inhaltsstoffe von grünem Tee stehen im Ruf, gesund zu sein. Wie die EU-Behörde EFSA nun aber zeigte, kann man es auch übertreiben – dann drohen Leberschäden.

Der Hype um angeblich so gesunde „Superfoods“ ist zwar etwas abgeflaut. Doch eine Reihe von Lebensmitteln stehen bei vielen ernährungsbewussten Menschen weiterhin hoch im Kurs. Dazu zählen auch grüner Tee und Matchapulver, das sind gemahlene Grünteeblätter mit besonders hohem Gehalt an Inhaltsstoffen. Und genau das wird gewünscht: Da man weiß, dass Polyphenole wie etwa Catechine in Teeblättern als Radikalfänger wirken, meinen viele Menschen, dass es umso besser ist, je mehr man davon zu sich nimmt.

Bei einem kurzen Rundblick im Internet findet man dutzendweise Behauptungen für segensreiche Wirkungen von Grüntee – das reicht vom Schutz des Herzkreislaufsystems und der Bekämpfung krankmachender Bakterien über Gewichtsabnahme und eine bessere Darmgesundheit bis hin zur Abtötung von Krebszellen. Entsprechend viele Präparate mit Grünteekonzentraten werden auf dem Markt angeboten, die unter anderem bei Menschen, die abnehmen wollen, reißenden Absatz finden.

Die behauptete umfassende Heilkraft von grünem Tee wurde von der Wissenschaft schon vor einigen Jahren infrage gestellt: Zum einen gibt es kaum hieb- und stichfeste Beweise aus Studien am Menschen. Zum anderen wurden manche Vermutungen klar widerlegt. So fanden etwa niederländische Forscher in einer placebokontrollierten Doppelblindstudie keinerlei Zusammenhang zwischen Grüntee-Catechinen und dem Körpergewicht bzw. der Zusammensetzung der Darmflora (PlosOne, 7. 4. 2016). Von der Öffentlichkeit wurde das kaum wahrgenommen. Ebenso wenig ist bekannt, dass sich in jüngster Zeit Nachrichten über ernste Leberschäden durch Grüntee-Extrakte häufen.

Diese Nachrichten sollten aber ernst genommen werden, wie aus einer Bewertung der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA hervorgeht, die diese Woche veröffentlicht wurde. Demnach ist eine Tagesdosis von Catechinen, die ungefähr fünf Tassen gehaltvollen Grüntees entspricht, sicher. Bei höheren Dosen gibt es aber offenbar einen Zusammenhang mit Leberschäden – und zwar vor allem bei übergewichtigen Menschen, die mit Grünteekapseln abnehmen wollen.

Auf traditionelle Art grünen Tee zu genießen ist also unbedenklich – und man darf ruhig auch an seine segensreiche Wirkung glauben. Von Grünteeschlankheitspillen, konzentriertem „Superfood“, muss indes abgeraten werden. Aber das sagt einem eigentlich auch der gesunde Menschenverstand.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2018)

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