Nordkoreas Diktator verkündet das Ende aller Atomtests – de facto teilt er der Welt damit mit, dass Nordkorea längst eine Atommacht ist und sich daran nichts mehr ändern lässt.
Tokio/Seoul. Nordkoreas Diktator Kim Jong-un setzt auf einen geschickten Schachzug: Nun verkündete er feierlich einen sofortigen Stopp aller Atom- und Raketentests. Doch Kim verspricht damit eigentlich nur, was er bereits vor Wochen zugesagt hatte. Und: Die Sphinx von Pjöngjang teilt der Welt mit, dass Nordkorea längst eine Atommacht ist, an deren Status eigentlich nichts mehr zu ändern ist. Es sei denn, das noch immer altstalinistische Regime würde in Wort und Tat nicht nur auf weitere Tests, sondern überhaupt auf den Besitz oder gar Einsatz nuklearer Waffen und Raketen verzichten.
Aber davon steht kein Wort in der Entscheidung des Zentralkomitees der Regierungspartei, die von Nordkoreas Staatsagentur KCNA verbreitet wurde. Im Propagandastil ist darin die Rede von einem „bedeutenden Prozess für die weltweite Abrüstung“ sowie den „internationalen Wünschen, Atomtests komplett einzustellen“. Auch lässt die Partei versprechen, den Lebensstandard ihrer Menschen „bedeutend zu heben, indem alle menschlichen und materiellen Ressourcen des Landes mobilisiert werden“. Im Klartext heißt das, die enorme Geldverschwendung für die Atomrüstung hat die einfachen Leute extrem belastet.
„Weitere Tests gar nicht nötig“
Beachtenswert ist auch, dass Kim sein Moratorium auch damit begründete, die Entwicklung von Atomwaffen und die Technik, Atomsprengköpfe auf ballistische Raketen zu montieren, sei erfolgreich abgeschlossen. Damit wären weitere Tests gar nicht nötig, jubelte die KCNA. Und in der Erklärung wird nur ein Teststopp für ballistische Langstreckenraketen erwähnt, nicht aber ein Ende der Versuche mit Kurz- und Mittelstreckenraketen, in deren Reichweite sich Südkorea und Japan befinden.
Politisch ist die Willenserklärung des Kim-Regimes kurz vor dem inter-koreanischen Gipfel am kommenden Freitag im koreanischen Grenzort Panmunjeom von großer Bedeutung. US-Präsident Donald Trump reagierte deshalb umgehend auf Twitter: „Das ist eine sehr gute Nachricht für Nordkorea und die Welt.“ Südkoreas Präsidialamt nannte die Ankündigung des Nordens einen „bedeutenden Fortschritt“ auf dem Weg zu einer „atomwaffenfreien koreanischen Halbinsel“. Nur Japan zeigte sich bisher eher skeptisch. Premier Shinzō Abe will erst genau beobachten, ob dieser Schritt auch wirklich „zur verifizierbaren und unwiderruflichen Zerstörung der Bestände von Atomwaffen führt“.
In der Tat muss man Kim Jong-un nun international beim Wort nehmen. Zum Beispiel mit seiner Aussage vor dem Zentralkomitee: „Unsere Republik wird sich der globalen Anstrengung anschließen, Nukleartests komplett einzustellen.“ Bisher ist Nordkorea dem Atomwaffensperrvertrag fern geblieben und der junge Diktator hat auch jetzt nicht versprochen, überhaupt auf Atomwaffen zu verzichten, was Südkoreas Präsident Moon Jae-in als Ziel des Panmunjeom-Gipfels formuliert hat.
Moratorium ist nichts Neues
Unklar ist auch, was Nordkorea unter dem Begriff Denuklearisierung verstehen will. Bisher hatte Pjöngjang auch die Aufgabe des nuklearen Schutzschildes der USA über Südkorea gefordert. Dieser Tage soll Pjöngjang signalisiert haben, dass es nicht auf dem vollständigen Abzug der US-Truppen aus Südkorea bestehen will, was Washington ohnehin nicht akzeptieren würde. Aber auch das ist offenbar eine Interpretation der südkoreanischen Regierung.
Experten vom Asan-Institut in Seoul vermuten stattdessen, dass Kim Sicherheitsgarantien verlangen werde, was zunächst auf eine Verkleinerung oder auch Umstrukturierung der US-Militärpräsenz hinauslaufen könnte. Das aber wäre keine signifikante Veränderung der bisherigen Position. Und so richtig neu ist das Moratorium auch nicht. Ähnliches hatte Kim schon vor Beginn der Olympischen Winterspiele in diesem Winter verkündet. Faktisch wirkt der Teststopp schon länger. In den vergangenen fünf Monaten hatte das Regime weder Atomsprengsätze noch Raketen getestet. Der letzte Start einer Langstreckenrakete erfolgte am 29. November 2017. Von diesem Abschuss wird angenommen, er hätte theoretisch die US-Ostküste erreichen können.
Auch die Ankündigung, das Testgelände im Nordosten zu schließen, könnte sich als Finte erweisen. Experten glauben, dass die sechs dort abgehaltenen Atomexplosionen die Stabilität der umliegenden Berge zu stark erschüttert hatten. Beim letzten Test soll ein Stollen eingestürzt sein und 200 Menschen begraben haben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2018)