Gott ist kein Grüner!

Aber Grüne halten sich immer öfter für Gott ... Die Grünen wollen ständig ins Leben eingreifen, andere manipulieren – und letztlich eine Diktatur der Nivellierung schaffen.

Gott sei ein „Linker“, behauptete Harald Walser unlängst (11. 2.) in der „Presse“. Die Grünen (und die politisch Korrekten aller Parteien) werden immer üppiger. Jeder fühlt sich als Opfer, erklärt andere zu Opfern – leitet daraus Forderungen ab, stellt Ansprüche. Es wird polarisiert und jegliche Schuld grundsätzlich und wie selbstverständlich immer auf andere projiziert... Schicksal, individuelle Bestimmung und freies Spiel der Kräfte sollen völlig ausgeschlossen werden.

Die Grünen, politisch Korrekten, 68er und „Aufgeklärten“ verschiedener Provenienz sind dabei längst ein erzkonservativer Bund: Man beruft sich auf allerlei „Errungenschaften“ – so, als ob diese ein für allemal etabliert (und deren Gültigkeit eindeutig geklärt) wären. Andauernd ist von irgendwelchen Rechten die Rede, die irgendjemand angeblich haben soll. Verantwortung will aber keiner übernehmen.

Streng genommen gäbe es überhaupt keine „Grundrechte“ – denn das wäre ja gleichsam eine Art Gottesbeweis... Rechte fallen nicht einfach vom Himmel, wir müssen sie uns verdienen. Etwa durch die Erfüllung von Pflichten – aber dieses Wort ist natürlich tabu. Doch ohne die freiwillige Übernahme individueller Verantwortung, reduziert sich alles „weltliche“ Recht letztlich auf das Faustrecht. Das einzige Recht, das wir vielleicht wirklich hätten, wäre jenes, von anderen in Ruhe gelassen zu werden!

Manchen Menschen ist das Kollektiv wichtig, anderen das Individuum, wieder anderen der eigene „Stamm“. Fast jedem ist wohl die eigene Familie näher als Nicht-verwandte. Es ist daher völlig weltfremd zu verlangen, alle Menschen hätten alle anderen gleich zu mögen, zu schätzen oder zu behandeln. Die Länge der Hierarchien ist in Wirklichkeit beinahe endlos... Nichts und niemand ist je völlig gleich, sollte daher jemals ganz gleich behandelt werden. Und Gleichmacherei ist überdies eine gigantische Vergeudung von Ressourcen, vor allem von menschlichen Talenten. Es lebe der Unterschied, die möglichst feine Differenzierung.

Gegen Extremismus eintreten

Doch alles, was rechts der Mitte ist, wird gleich als „rechtsextrem“ verdächtigt. „Demokratie“ ist dabei zwar ein beliebtes Wort – deren Auswirkungen werden aber ungeniert ignoriert. (Etwa die Tatsache, dass es in Österreich in der Zweiten Republik, mit Ausnahme der Kreisky-Jahre, eigentlich immer ein Mehrheit „rechts der Mitte“ gegeben hat.) Rechtsextrem ist jedoch die Mehrheit der Österreicher wohl nur aus Sicht jener, die selbst sehr weit links stehen... Sie sind vielleicht ein wenig benebelt von dem, was gern als die veröffentlichte Meinung bezeichnet wird. Wenn etwa bei den ORF-Betriebsratswahlen rot und grün circa zwei Drittel der Stimmen erhielten, während diese Parteien etwa zeitgleich bei der EU-Wahl gerade ein Drittel erreichen konnten, so ist dies wohl symptomatisch. (Und wenn die Grünen einmal in der „Mitte“ sind, dann muss erst die SPÖ „rechts außen“ stehen – und der Linksextremismus voll gesellschaftsfähig sein.)

Wenn wir wirklich gegen Extremismen aller Art eintreten wollen, so müssen wir den Extremisten den Wind aus den Segeln nehmen! Ihnen also zustimmen, wo sie recht haben; dafür aber umso klarer widersprechen, wo sie übertreiben. (Statt auf Verschwörungstheorien wieder mit eigenen Verschwörungstheorien zu reagieren.) Tabus bringen uns da kaum weiter. Es gibt etwa sicher sowohl den „kapitalistischen Ausbeuter“, der seine Mitarbeiter missbraucht – als auch „Sozialschmarotzer“, die das System ausnützen... Doch ein wahrer Kern ist noch nicht die ganze Wahrheit. Was wir wirklich bräuchten, wären wohl möglichst umfassende Freiheit, Mitgefühl mit den wirklich Leidenden – und Mut zu mehr Ehrlichkeit. Alles andere ergäbe sich fast von selbst.

Christoph Bösch, M.A., lebt und arbeitet als freier Publizist in Wien.

Bisher erschienen zur Debatte:

Gott ist ein Linker, Harald Walser,

Das eherne Gesetz links-grüner Publizisten, Herbert Kaspar,

Die Verharmlosung des rechten Lagers, Rudolf Edlinger

Ein selektives Geschichtsverständnis, Dietmar Halper


meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2010)

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