Amanshausers Album: Die "gelbe Gefahr"

Chinesische Touristen mit ihrer kaum ausgeprägten Individualisierung stoßen in Europa oft auf Ablehnung oder Hohn.
Chinesische Touristen mit ihrer kaum ausgeprägten Individualisierung stoßen in Europa oft auf Ablehnung oder Hohn.(c) imago/Jürgen Ritter
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52 - Welcher Rassismus ist der populärste? Weltweit führen mit Abstand antichinesische Ressentiments.

Dass es in Österreich Antisemiten gibt, wissen wir – doch es sind weniger geworden im Lauf der vergangenen 70 Jahre. Meine vier Großeltern verkörperten noch eine Antisemitismusquote von 100 Prozent. Es repräsentiert nicht alle Teile unserer Gesellschaft, aber sagt schon etwas aus, dass diese Quote bei meinen Eltern aufgrund einer sanften Rebellion der Vernunft auf null gesunken ist. Heutzutage prägen antimuslimische Reflexe Europas Politik – sie ähneln aber eher der schlechten, alten Ausländerfeindlichkeit als dem jahrhundertelang aufgebauten christlichen Hass gegen Juden. International fällt mir ein viel bedrohlicherer Alltagsrassismus auf, und zwar der gegen China und Chinesen, angetrieben von Existenzängsten, die der wirtschaftliche Erfolg der neuen Weltmacht generiert.

In weiten Teilen der Welt sind Chinesen, oft geschickte Geschäftsleute, unbeliebt. Nicht nur auf den Philippinen, wo sie als „Drogendealer“ verleumdet und getötet werden. Überall, wo Nicht-Autochthone Erfolg haben, eifert und geifert der hässliche, unaufgeklärte Teil unserer uralten Gehirnwindungen.

Österreicher schätzen acht Schätze, doch angesichts einer imaginierten „gelben Gefahr“ unterliegen auch sie gängigen Vorurteilen. Man rezipiert China bei uns als Land von sklavischen Ameisen und als wirtschaftliche Bedrohung, chinesische Touristen mit ihrer kaum ausgeprägten Individualisierung stoßen hierzulande oft auf Ablehnung oder Hohn.

Als China-Reisender weiß ich – das Reich der Mitte polarisiert. Gut die Hälfte der Besucher kommt mit einem seltsam undifferenzierten China-Bild zurück, man möchte meinen, sie waren woanders. Jüngst las ich eines der raren Bücher, die kulturelle Verbindungsarbeit unaufgeregt betreiben – die „Lesereise China“. Stefan Schomann schreibt vom Heurigen- und vom Sachertortenlokal in Shanghai oder vom Skifahren in Yabuli, hinterste Mandschurei, er schildert den singenden Sand der Wüste Xiangshawan  – alles mit jener kritischen Zuneigung und Verwunderung, die feinfühlige Menschen dem Fremden unweigerlich entgegenbringen. Bücher wie das von Schomann sind die wirkungsvollsten Tabletten gegen Rassismus.

www.amanshauser.at

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