Gastkommentar

Kein Spiel mit dem Feuer im ORF anfangen!

Hände weg von der beharrlichen FPÖ-Forderung, die Gebührenfinanzierung des ORF abzuschaffen. Zehn Thesen gegen seine Finanzierung aus dem Budget, weil der ORF sonst vollends zum Spielball der Politik würde.

Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist nicht nur bei uns, sondern in vielen Ländern in Diskussion. Beispiele gefällig? Die Schweiz hat sich vor Kurzem in einer Abstimmung für die Beibehaltung der Rundfunkgebühren entschieden, in Dänemark ist das Gegenteil der Fall. Dort werden die Rundfunkgebühren abgeschafft und sollen durch Steuern (Senkung der persönlichen Steuerabsetzbeträge) ersetzt werden.

Aber welche Absichten gibt es diesbezüglich seitens unserer Bundesregierung? Die FPÖ fordert schon seit Langem beharrlich, die abgrundtief bösen Rundfunkgebühren abzuschaffen und den ORF künftig aus dem Bundesbudget zu finanzieren. Die ÖVP soll diesem Ansinnen gegenüber nicht ganz abgeneigt sein. Aber welche Folgen hätte das? Vielleicht nur mäßig negative, vielleicht gravierende, vielleicht aber auch verheerende.

Eine versteckte Agenda?

Da nicht auszuschließen ist, dass sich hinter den verklausulierten Absichten (oder ist es bereits ein Vorhaben beziehungsweise ein konkretes Projekt?) eine andere als die nach außen hin argumentierte, vielleicht sogar eine eindeutige versteckte Agenda verbirgt, sehe ich mich dazu verleitet, folgende zehn Thesen gegen die Finanzierung des ORF aus dem Budget zur Diskussion zu stellen:

1. Auch wenn Eigentümerinteressen grundsätzlich einmal immer legitim sind, würden in diesem Fall nicht die Kunden (= Hörer und Seher) über den „Stimmzettel“ ihrer Gebühren über den ORF entscheiden, sondern ausschließlich die Eigentümer. Erst die Praxis würde zeigen, ob den Kundeninteressen weiterhin Bedeutung zukäme oder der Staat (die jeweilige Regierung) seine Interessen über die bereitgestellten Budgetmittel bzw. bewährten kostenmäßigen Daumenschrauben notfalls auch mit Brachialgewalt durchsetzen würde.

Klar hingegen ist die ökonomische Binsenwahrheit, dass Unternehmen, die sich à la longue nicht an den Wünschen ihrer Kunden orientieren, über kurz oder lang dem Untergang geweiht sind.


2. Mit der Finanzierung des ORF aus dem Budget würde dieser zwangsläufig Gefahr laufen, vollends zum Spielball der Politik zu werden – mit allen negativen Folgen für die Meinungs- und Pressefreiheit. Gar nicht auszudenken, was passieren würde, wenn bei einem Regierungswechsel das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlüge.


3.Pragmatisch und realistisch gesehen, würde die Finanzierung aus dem Budget nichts anderes ermöglichen als ein simples System von Strafe und Belohnung: Strafe in Form von Budgetkürzungen bei aus Sicht der jeweiligen Regierung „unbotmäßiger“ Berichterstattung und Belohnung in Form von mehr Geld für Wohlverhalten und vorauseilenden Gehorsam. Das wäre also „message control“ durch direkte Einflussnahme auf die Medien und deren Instrumentalisierung für die eigenen politischen Ziele und nicht bloß durch geschickte Steuerung aller an die Öffentlichkeit gehenden Botschaften.

In Richtung Ungarn, Polen?

4. Letztendlich würde die ORF-Finanzierung aus dem Budget folgerichtig auch ganz klar auf den direkten Durchgriff bei der Besetzung von Führungspositionen im ORF hinauslaufen. Aus den bisherigen – zumindest versuchten – politischen Einflussnahmen könnte dann insofern Willkür werden, als man das Management durch irreale Budget- oder Kosteneinsparungsvorgaben à la AUVA und AMS sturmreif schießt, um seine eigenen Günstlinge zu platzieren.


5. Instabile Verhältnisse an der Spitze des ORF könnten einen bedeutenden journalistischen Brain-Drain nach sich ziehen. Welcher gute, auf Qualität bedachte und unabhängige Journalist könnte es mit seinem Berufsethos vereinbaren, für einen gleichgeschalteten und öden Regierungsfunk zu arbeiten? Wollte nicht schon ein gewisser Jörg Haider die Journalistenstuben ordentlich durchlüften?


6. Dass die Planbarkeit in einem instabilen und verunsicherten Unternehmen massiv leiden würde, ist gleichfalls unter die betriebswirtschaftlichen Grundwahrheiten einzuordnen – ist aber von geradezu elementarer Bedeutung für jedes Unternehmen.


7. Alles in allem ist es leicht vorstellbar, dass das bisher Gesagte selbstverständlich auch zu enormen Mehrkosten, vor allem bei einem Regierungswechsel, führen würde. Abgesehen davon: Wohin würden wir uns dann mit einem ORF am kosten- und budgetmäßigen Gängelband der Regierung bewegen? In Richtung Ungarn oder Polen? Kein besonders angenehmer Gedanke, sich das auch nur vorzustellen!

Geschwächt für Wettbewerb

8. Begleitet würde diese Unterminierung der Kostenposition des ORF, die man dem ORF dann natürlich auch wieder elegant vorwerfen könnte, aber auch durch eine massive Beeinträchtigung seiner Wettbewerbsposition, also seiner Stellung im Konkurrenzumfeld. Ein geschwächter ORF würde für seine Nutzer zwangsläufig unattraktiver werden und Reichweiten an die Konkurrenz verlieren. Begünstigen würde diese Verschiebung im Wettbewerbsgefüge die bereits auf dem Markt befindlichen Privatsender sowie neue Player, die noch leichter in das entstehende Vakuum einströmen könnten.


9. Das heißt, dass die Finanzierung des ORF aus dem Budget und die damit verbundene Verstärkung der politischen Abhängigkeit dem ORF schlussendlich die Kraft rauben könnte, sich im ohnehin härter und differenzierter werdenden Wettbewerb erfolgreich zu behaupten. Aber wäre nicht genau das im Sinne der Erfinder dieser in weniger liberalen Demokratien bereits mehrfach erprobten Idee?

Ein Eckpfeiler der Identität

10. Last, but not least: Der ORF ist für die meisten Österreicher immer noch ein bedeutender Eckpfeiler der österreichischen Identität und hat das über Jahrzehnte auch hervorragend unter Beweis gestellt. Wie sehr diese Rolle und Funktion des ORF im Bewusstsein der Österreicher fehlen könnten, würde man vermutlich erst dann realisieren, wenn es ihn nicht mehr oder vielleicht nur mehr als Karikatur seiner selbst gäbe.

Weitaus besser, als mit dieser Mission des ORF zu spielen, wäre es daher, mit einem derart gefährlichen Spiel mit dem Feuer gar nicht erst anzufangen. Daher ganz schnell Hände weg von der anvisierten Abschaffung der Gebührenfinanzierung des ORF! Je früher, desto besser – zumindest die grundvernünftigen Eidgenossen haben das ohnehin bereits vorgezeigt.

Und wenn dies alles die beiden Regierungsparteien in ihrem Machtkalkül absolut kalt lässt, sollten sie zumindest daran denken, dass sich ihre diesbezüglichen Bestrebungen wie bei ihren ursprünglich groß hinausposaunten Absichten in puncto direkte Demokratie eines Tages auch gegen sie selbst richten könnten.

Aber wer denkt schon längerfristig, wenn die vermeintlich reifen Trauben im Moment gerade gar so tief zu hängen scheinen?

E-Mails an: debatte@diepresse.com

DER AUTOR

Dkfm. Josef Redl (geb. 1945 in St. Martin an der Raab, Bgld.) hat sein gesamtes Berufsleben mit den Schwerpunkten Marketing und Vertrieb im Bankbereich verbracht. Zuletzt war er Vertriebsvorstand in einer Versicherung und danach in einer ehrenamtlichen Tätigkeit weiter im Finanzsektor engagiert. Als politisch interessiertem Menschen liegt ihm die Unabhängigkeit der Medien sehr am Herzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2018)


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