Chinesische Forscher warnen: Der Berg Mantap, unter dem Pjöngjang die jüngsten Atomtests durchführte, sei teils eingestürzt. Die Gefahr radioaktiver Strahlung sei hoch.
Das wichtigste nordkoreanische Atomtestgelände könnte teilweise kollabiert sein. China und andere Nachbarstaaten Nordkoreas seien nun der Gefahr radioaktiver Strahlung ausgesetzt, berichtet die "South China Morning Post" unter Berufung auf zwei unabhängige chinesische Studien. Der Kollaps könnte der Grund sein, warum Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un am Samstag feierlich angekündigt hat, das Atom- und Raketenprogramm seines Landes zu stoppen und das Gelände zu schließen - möglicherweise auch nach Warnungen der chinesischen Regierung, die sich der Gefahren bewusst war.
Pjöngjang führte fünf der sechs vergangenen Atomtests auf dem "Punggye-ri"-Testgelände, einem Tunnelsystem unter dem 2100 Meter hohen Berg Mantap im Nordwesten Nordkoreas, durch. Die jüngste Detonation einer Atombombe im September habe ein 200 Meter großes Loch in den Berg gerissen. Pjöngjang testete damals rund 700 Meter unter der Bergspitze eine 100 Kilogramm schwere Wasserstoffbombe. Es war die bisher stärkste Atombombe, die das Regime je getestet hat.
Die Erschütterung habe mehr und mehr Gestein gelockert. Daraufhin sei ein Teil des Berges nahe der Spitze in die leere Berghöhle gefallen. Der Kollaps sei auch auf Satellitenbildern zu sehen, berichten die chinesischen Forscher. Der Einbruch habe eine Art "Schornstein" geschaffen, durch den radioaktive Partikel, die durch die Tests entstanden seien, in die Luft nach außen dringen könnten. Es sei nun notwendig, mögliche radioaktive Lecks zu beobachten.
Zweifel an chinesischer Studie
Für China sind die Atomtests eine heikle Angelegenheit: Das "Punggye-ri"-Testgelände liegt weniger als 100 Kilometer von der chinesischen Grenze entfernt. In der Vergangenheit waren die Tests auch in chinesischen Grenzorten zu spüren. Teils mussten Büros und Schulen evakuiert werden.
Die verheerende Explosion im September, die zunächst ein Erdbeben der Stärke 6,3 auf der Richterskala auslöste, hatte vier weitere Beben über die folgenden Wochen zur Folge. Der Test sei auch insofern gefährlich gewesen, als er den Ausbruch des Changbai Berges, eines Vulkans an der chinesisch-koreanischen Grenze, hervorrufen hätte können, berichtet die "South China Morning Post".

Die von Politologen der John-Hopkins-Universität betriebene Nordkorea-Webseite "38 North" sehen für den Kollaps allerdings keine harten Belege. Laut "38 North" hat Pjöngjang nach dem jüngsten Test das Nordportal zu seiner unterirdischen Anlage zwar aufgegeben, bis Anfang März sei jedoch am Westportal ein weiterer "signifikanter neuer Tunnelbau" entdeckt worden. Ob Pjöngjang das Testgelande tatsächlich still gelegt ist, ist schwer zu überprüfen. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hat das Versuchsgelände noch nie besuchen dürfen.
Einige Nordkorea-Experten sehen für die Ankündigung Kims, das Atomprogramm zu stoppen, zudem einen ganz anderen Grund. Die Führung des Landes wolle zeigen, dass es eine voll entwickelte Atommacht sei - und bereits ein volles Atombombendepot habe.
Kim übertritt als erster Machthaber seit 65 Jahren Grenze
Am Freitag wird sich die internationale Gemeinschaft vielleicht schon mehr Klarheit verschaffen können: Südkoreas Präsident Moon Jae-in und Diktator Kim treffen zum ersten innerkoreanischen Gipfel seit zehn Jahren zusammen. Der Treffpunkt ist sehr symbolisch: Kim soll die Demarkationslinie zum Süden überschreiten. Wenn Kim die Linie übertritt, wird er der erste nordkoreanische Machthaber seit Kriegsende vor 65 Jahren sein, der südkoreanischen Boden betritt.
Bei den Gesprächen im Grenzort Panmunjom soll es vorrangig um einen Abbau der militärischen Spannungen zwischen den Nachbarländern gehen. Außerdem will Moon Kim davon überzeugen, sein Atomwaffenprogramm aufzugeben. Kim und Moon könnten zudem über Wege zu einem möglichen Friedensabkommen beraten. Seit dem Ende des Koreakriegs (1950-53) besteht auf der Halbinsel lediglich ein Waffenstillstand, die beiden koreanischen Staaten befinden sich offiziell noch immer im Kriegszustand.
>>> Bericht in der "South China Morning Post"
(maka)