Klanglicht-Festival: Im digitalen Kaleidoskop

Die in Wien lebende Künstlerin Lia malt nicht mit dem Pinsel, sondern mit Codes.
Die in Wien lebende Künstlerin Lia malt nicht mit dem Pinsel, sondern mit Codes. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Sie ist eine Pionierin der Softwarekunst: Für das Grazer Klanglicht-Festival hat Künstlerin Lia nun eine Installation für das Künstlerhaus entworfen.

Wie kann man das, was Lia macht, beschreiben? Vielleicht mit einem digitalen Kaleidoskop: Formen, Strukturen, Farben, die sich zusammenfügen und verändern – je nachdem, wie es Lia programmiert hat. Wellen, pulsierende Kugeln – oder auch Blumen, die am Bildschirm in die Höhe sprießen.

Das Problem sei, sagt Lia, dass viele Menschen schnell verschreckt sind, wenn Begriffe wie Computerkunst fallen. Sie würden damit sofort eine kühle Computerästhetik verbinden. „Dabei mag ich es, wenn es organisch wird.“ Dass hinter all dem Mathematik steckt, sei kein Widerspruch: Der Blütenstand von Sonnenblumen mit ihren Kernen lasse sich mit Fibonacci-Zahlen und dem Goldenen Schnitt beschreiben; auch die Ananas hat so einen mathematischen Bauplan. „Bei all dem liegt Mathematik dahinter – aber sie kann wunderschön aussehen.“

Lustigerweise, erzählt die gebürtige Grazerin, habe sie selbst Mathematik in der Schule gehasst. Wohl, glaubt sie, „weil ich nicht verstanden habe, was man mit dem Peripheriewinkelbogenpaar später mal machen soll“. Vor der Matura begann sie zu strebern, „weil ich nicht durchfallen wollte. Dann hab ich es verstanden – und dachte: Schade, jetzt ist es vorbei.“

16 Stunden täglich am Computer

Weil sie immer schon etwas Kreatives machen wollte, ging sie nach Wien auf das Modekolleg. Doch dann, 1995, bekam sie ihren ersten Computer, einen gebrauchten MacIntosh. Ab da, erzählt sie, war es um sie geschehen, „ab da wusste ich, was ich machen will“. Autodidaktisch brachte sie sich das Programmieren bei, saß 16 Stunden täglich am Computer. „Ich war total besessen.“ Dass man damals im Internet noch kaum etwas nachschauen konnte, sei rückblickend ein Vorteil gewesen, weil es sie zum Experimentieren zwang. Schon damals versuchte sie etwa die Struktur eines Baums nachbauen. Das Ergebnis sei dann zwar nicht wirklich ein Baum gewesen, eher ein abstraktes Gebilde – aber auch das mache den Reiz ihrer Arbeit aus. „Dass Fehler passieren und das Ergebnis super ausschaut.“

Aus der Klanglichtarbeit „Silver Ratio“.
Aus der Klanglichtarbeit „Silver Ratio“.(c) Lia

Für das Grazer Klanglicht-Festival, das an diesem Wochenende zum 4. Mal und erstmals drei Abende lang stattfindet, bespielt sie gemeinsam mit ihrem Mann, einem Programmierer und Musiker, das Künstlerhaus. Die drei Reihen von je acht Fenstern bilden hier das Raster für ihre Projektion, die sie eigens für den des Fünfzigerjahrebau beim Stadtpark entworfen hat, von ihrem Mann kommt die zugehörige Musik. Inspiriert hat sie die Idee des statischen Hauses, „das durch die Künstler, die hinkommen, lebt“.

Insgesamt werden 19 Projekte Gebäude in der Innenstadt in Licht und Töne hüllen. Die Amerikanerin Jen Lewin etwa legt am Freiheitsplatz Scheiben am Boden aus, die mit 200 LED-Lampen beleuchtet werden und die auf Schritte reagieren. Je nach Druck und Geschwindigkeit der Bewegung der Besucher verändern sich Farbe und Klang. Das Kollektiv Onionlab aus Barcelona hingegen zaubert mit „Axioma“ dreidimensionale, geometrische Illusionen auf die Fassade der Oper, für die es eigens 3-D-Brillen gibt. In Graz hat Lia – ihr einstiger Netz- ist auch ihr Künstlername – lange an der dortigen FH unterrichtet. Heute lebt sie nur noch von der Kunst, arbeitet etwa für Musiker, hat aber auch schon das optische Innenleben für Gregor Eichingers Bar im Showroom der Möbelfirma Seliger gestaltet.

Als Pionierin ihrer Kunstform weiß sie freilich, dass die Szene guter Künstler bis heute klein ist. Dem Publikum fehle indes oft das Wissen, um schnelle Arbeiten mit fertigen Programmen von wirklicher Kunst zu unterscheiden. Sie selbst liebt das Tüfteln, „es ist wie Schach oder Sudoku“, lernt gerade eine neue Programmiersprache. Mit der könne sie erstmals die Farbe Gold verwenden. „Es ist unglaublich kitschig und macht unheimlich viel Spaß.“

Auf einen Blick

Klanglicht findet von 28. bis 30. April von 20.30 bis 23 Uhr in der Grazer Innenstadt statt: 17 Standorte zeigen dramatische Inszenierungen aus Licht, Musik, Sound und Text, darunter Oper, Schauspielhaus, Next Liberty, Kunsthaus, Murinsel, Burg, Künstlerhaus, Dom im Berg, Plätze und Brücken. Mehr als die Hälfte der 19 Projekte wurden eigens entwickelt. Erstmals gibt es eine vorgeschlagene Route und von Asynchrome einen Rucksack, der im Dunkeln leuchtet.

Web: www.klanglicht.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2018)

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