Kein Schuldenerlass für Athen

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Nach acht Jahren wird sich Griechenland ab August wieder selbstständig finanzieren. Ob und wie lang das gut geht, ist angesichts der enormen Schuldenquote ungewiss.

Sofia. Vier Monate vor dem Ende der Finanzhilfen für Griechenland ist die Schlüsselfrage für den dauerhaften Erfolg dieser Rettungsaktion ungelöst: ist die griechische Staatsschuld dauerhaft tragbar – oder müssen Athens Gläubiger, allen voran Deutschland, zumindest einen Teil ihrer Forderungen als uneinbringlich abschreiben?

Die Finanzminister der Mitgliedstaaten der Währungsunion vermieden am Freitag bei ihrem Treffen in Sofia dieses heikle Thema. „Wir haben diesen Aspekt heute nicht aufgegriffen“, sagte Pierre Moscovici, der als EU-Finanzkommissar an diesen Treffen der Eurogruppe teilnimmt. Mario Centeno, der Vorsitzende der Eurogruppe, erinnerte daran, dass Griechenland bereits Erleichterungen bei der Rückzahlung seiner Kredite erhalten habe. Die Eurogruppe sei grundsätzlich dazu bereit, „mittelfristig“ weitere solche Maßnahmen zu ergreifen, die den faktischen Effekt eines teilweisen Schuldenerlasses entfalteten. „Dafür gibt es aber zwei Bedingungen: Griechenland muss sein Programm erfolgreich vollendet haben, und es muss klare Belege dafür geben, dass ein Schuldennachlass notwendig für die Nachhaltigkeit der Staatsschuld ist“, sagte der frühere portugiesische Finanzminister. Klaus Regling, der Chef des Euro-Rettungsfonds Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM), ließ erkennen, dass er als größter Gläubiger Athens kein Interesse daran habe, auf seine Forderungen zu verzichten: „Wir sind sehr geduldig, aber wir wollen unser Geld zurückgezahlt bekommen.“

„Letzte Seite der Eurokrise“

Das Programm, von dem hier die Rede ist, umfasst jene Reformmaßnahmen, zu denen sich der griechische Regierungschef, Alexis Tsipras, im August 2015 gegenüber den anderen Eurostaaten verpflichtet hatte, um im Gegenzug für drei Jahre 86 Milliarden Euro an Hilfskrediten zu erhalten. Ohne dieses Geld hätte Tsipras, der Anfang 2015 mit einer erratischen Volksabstimmung über diese Maßnahmen beinahe den Hinauswurf Griechenlands aus der Währungsunion provoziert hatte, den Bankrott seines Staates erklären müssen.

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Seit damals arbeitet die linkspopulistische Regierung das Sanierungsprogramm ziemlich diszipliniert ab. Zum zweiten Mal hintereinander hat das Land einen Primärüberschuss von vier Prozent erzielt, also vor Abzug der Kosten für den Schuldendienst.
Centeno, Regling, Moscovici und die im Direktorium der Europäischen Zentralbank für Bankenaufsicht zuständige Danièle Nouy hielten in Sofia unisono fest, dass Athen nur mehr zwei Punkte zu erfüllen habe. Erstens müsse die Regierung die große Menge an uneinbringlichen Krediten entschlossener zu verringern versuchen. Zweitens müsse die griechische Regierung dafür sorgen, dass das Gesetz über die Möglichkeit der Erklärung einer Privatinsolvenz gut funktioniert und Missbräuche verhindert werden. „Wir sind auf der Schlussgeraden“, frohlockte Kommissar Moscovici. „Mit dem Ende des Hilfsprogramms werden wir die letzte Seite der Eurokrise umblättern.“

Ob diese Einschätzung haltbar ist, wird davon abhängen, ob Athen sich dauerhaft an den Finanzmärkten zu tragbaren Konditionen finanzieren kann, wie die Regierung Tsipras das ab 21. August zu tun gedenkt. Derzeit bewerten alle Kreditratingagenturen Griechenlands Staatsanleihen als Ramsch. Ob sie neu emittierte Papiere besser bewerten, ist offen und hängt davon ab, ob sie Griechenlands Schuldenquote von derzeit rund 180 Prozent als verringerbar ansehen oder nicht. Der Internationale Währungsfonds tut dies nicht und hat bereits vor einem Jahr zu einem Schuldenschnitt durch die staatlichen Gläubiger Athens gemahnt (die privaten mussten bereits im Jahr 2012 eine Abschreibung von Forderungen im Ausmaß von 107 Milliarden Euro schlucken).

Verlust billigen Geldes droht

Erschwert wird die Lösung dieses Problems dadurch, dass Griechenlands Banken durch den völligen Austritt aus dem Hilfsprogramm auch den Zugang zu billigem Geld der EZB verlieren dürften, mit dem sie sich von Tag zu Tag flüssig halten. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass man in der EZB nicht gewillt sei, Athen diese Vergünstigung über den August hinweg zu gewähren. Denn als Sicherheit für diese liquiden Mittel müssen Staatsanleihen der jeweiligen Mitgliedstaaten hinterlegt werden – und jene Griechenlands sind für die EZB als Ramsch inakzeptabel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28. 4. 2018)

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