Die neuen US-Sanktionen gegen Russland entfalten ihren Dominoeffekt. Und sie strahlen weit über Russland hinaus. Die Wirtschaft schlägt daher Alarm, dass Europa politisch aktiv werden sollte, um seine Firmen zu schützen. Es geht um Milliarden.
Wer eine Ahnung davon bekommen will, wie eine Sanktion eine ganze Branche und die von ihr abhängigen Sektoren in Schieflage bringen kann, muss sich nur einmal die Preiskurve für Aluminium im April ansehen. Um nahezu 30 Prozent schoss die Notierung innerhalb von zwölf Tagen auf das Sechsjahreshoch von über 2500 Dollar je Tonne, nachdem die USA am 6. April Strafmaßnahmen unter anderem gegen den russischen Oligarchen Oleg Deripaska und seinen Aluminiumkonzern Rusal verhängt (und damit nebenbei 60 Prozent seiner Marktkapitalisierung vernichtet) hatten. Der Markt braucht die Sanktionen wie einen Kropf, schließlich hatte der Preis für Aluminium schon vorher angezogen und drohte nun ein Niveau zu erreichen, das die Welt zuletzt vor zehn Jahren gesehen hatte.
Erst als US-Finanzminister Steven Mnuchin vor einer Woche überraschend die Frist gestreckt hat, bis zu der der Rest der Welt ohne Angst vor Strafen Aluminium aus Russland kaufen darf, ging der Alupreis zurück. Gut möglich, dass er nun weiter sinkt, weil Deripaska die Führung seiner Unternehmensgruppe abgeben und seine Anteile reduzieren will, wie er am Freitag bekanntgab. Noch wird mit den US-Behörden fieberhaft verhandelt.
Auch Europa fiebert mit. Schließlich bezog der Kontinent im Vorjahr 42 Prozent seiner Alu-Importe vom Rusal-Konzern, der seinerseits als weltweit zweitgrößtes Branchenunternehmen sechs Prozent des globalen Primäraluminiums produziert. Die Angst vor Engpässen ist berechtigt. Vor allem unter den Herstellern von Getränkedosen, aber auch in der Autoindustrie und natürlich in europäischen Aluminiumwerken geht sie um.
Irritiert, ängstlich
Und dennoch ist das, was sich auf dem Aluminiumsektor zuträgt, nur das markanteste Beispiel von vielen, seit die USA wirtschaftlich gegen Russland wegen seiner "bösartigen Aktivitäten in der Welt" scharf schießen und sieben Oligarchen sowie zwölf Unternehmen auf die Sanktionsliste (genannt SDN-Liste) gehoben haben. In Russland selbst herrscht mehr Irritierung, als man zuzugeben bereit ist. Der Rubel hat um mehr als zehn Prozent gegenüber Dollar und Euro abgewertet, was den Import und Auslandsreisen signifikant verteuert, wie das schon die ersten Sanktionen 2014 bewirkt hatten. Das hat auch die Zentralbank vorsichtig werden lassen, die aus Angst vor einer nun schneller anziehenden Inflation den immer noch bei hohen 7,25 Prozent liegenden Leitzins am Freitag nicht weiter gesenkt hat, obwohl die mau laufende Wirtschaft das dringend bräuchte und die jetzt historisch niedrige Inflation von 2,4 Prozent das eigentlich leicht erlauben würde.