"Ruhige, bequeme Schlepperei, um gutes Geld zu verdienen"

APA/AFP/ATTILA KISBENEDEK
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Der afghanische Hauptangeklagte im Fall des Schlepper-Dramas auf der A4 weist den Mord-Vorwürf beim Prozess in Ungarn zurück und schiebt die Schuld auf den Fahrer.

Der Hauptangeklagte im Prozess um den Tod von 71 Flüchtlingen, die 2015 in einem Lkw auf der A4 entdeckt wurden, hat am Mittwoch erneut beteuert, nichts von Sauerstoffproblemen gewusst zu haben. "Denn ich helfe, wenn ein Mensch in Gefahr ist", sagte er vor Gericht in Ungarn. Der 31-Jährige richtete schwere Anschuldigen an jenen Mitangeklagten, der für die Fahrzeugbeschaffung verantwortlich war.

Der bulgarisch-libanesische 52-Jährige hätte Löcher in den Kühl-LKW schneiden müssen, betonte der Afghane in seiner vom Richter verlesenen Erklärung. Weiter sei der viertangeklagte Bulgare, der Chauffeur des Todes-Lkw, zu gierig gewesen. Dieser habe die Flüchtlinge möglichst bald loswerden und sein Geld erhalten wollen.

"Ruhige, bequeme Schlepperei"

Dagegen seien die Chefs der Organisation bemüht gewesen, die Schlepperfahrten ohne Zwischenfälle abzuwickeln. "Sie wollen eine ruhige, bequeme Schlepperei, um gutes Geld zu verdienen", meinte der Hauptbeschuldigte. Er sei verantwortlich gewesen für die Gelder aus den Flüchtlingstransporten und erhielt Prozente, was aber nicht bedeute, dass er gnadenlos gegenüber den Flüchtlingen gewesen sei, berichtete der 31-Jährige. Er sei kein Mörder, hätte niemandem den Tod gewünscht.

Der Hauptbeschuldigte erläuterte, er sei in Budapest in einer Autowaschanlage gewesen, als ihn Amin - der laut ihm internationale Kopf der Bande, der noch flüchtig ist - anrief und erklärte, er habe in den Nachrichten von der Tragödie gehört. Es gebe keinen Kontakt mehr zu eigenen Leuten und Insassen. Amin habe aber schon die nächste Schlepperei für den kommenden Tag geplant.

Zum vom Fahrer gehörten Lärm im Kühl-Lkw meinte der 31-Jährige, dabei hätte es sich auch um einen Streit unter Frauen handeln können. Das sei "charakteristisch bei Schleppungen". Dabei ging es in der Regel um Essen, Trinken oder Belästigung durch Männer.

Schuld liege beim Fahrer

Der Afghane gab die Schuld an der Tragödie abermals dem Lenker des Schwerfahrzeugs. Denn es gab "keinen Befehl", dass dieser nicht anhalten oder die Tür öffnen hätte dürfen. "Wäre ich Begleiter gewesen, wäre die Tragödie nicht passiert." In der vorgelesenen Erklärung des Hauptangeklagten hieß es weiters, er sei "nur drei bis vier Mal" Begleiter einer Schlepperfahrt gewesen und nur ab und zu nach Österreich gefahren, um Geld aus Schleppungen dorthin zu bringen - wohin, blieb offen.

Den Mord-Vorwurf wies der Erstangeklagte neuerlich zurück. "Ich schwöre bei Gott, dass ich diese Tragödie nicht wollte, die ein Unfall war", zitierte der Richter aus einer Erklärung des Afghanen. Schuldig bekannte sich der 31-Jährige der Schlepperei. Der Mann gab seine Stellungnahme schriftlich ab, weil er vermeiden wollte, seine Worte, für die er sich schäme, noch einmal selbst wiederholen zu müssen.

Die Verhandlung wird am Donnerstag fortgesetzt. In dem Prozess sind insgesamt 14 Personen - elf Bulgaren, zwei Afghanen sowie ein bulgarisch-libanesischer Staatsbürger - angeklagt. Sie sollen Schuld am Erstickungstod der Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, dem Iran und dem Irak sein. Unter den 71 Todesopfern waren vier Kinder. Drei der 14 Angeklagten sind noch auf der Flucht. Seit Juni 2017 wird in der ungarischen Stadt Kecskemet verhandelt, weil die Migranten auf ungarischem Staatsgebiet ums Leben kamen.

(APA)

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