Ungarn kritisiert Kürzung der Familienbeihilfe als "unanständig"

Türkis-Blau hat beschlossen, die Familienbeihilfe, die an in Österreich arbeitende Eltern geht, an die Lebenshaltungskosten im jeweiligen Heimatland anzupassen.
Türkis-Blau hat beschlossen, die Familienbeihilfe, die an in Österreich arbeitende Eltern geht, an die Lebenshaltungskosten im jeweiligen Heimatland anzupassen. BilderBox
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Außenminister Szijjarto nennt die Entscheidung von Türkis-Blau, die Beihilfen für im Ausland lebende Kinder von EU-Bürgern zu indexieren, "würdelos". Die EU-Kommission will etwaige Rechtsverletzung prüfen.

Die ungarische Regierung hat die vom Kabinett in Wien beschlossene Kürzung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder von EU-Bürgern heftig kritisiert. "Diese letzte Entscheidung der österreichischen Regierung ist würdelos und unanständig gegenüber den ungarischen Menschen", erklärte Außenminister Peter Szijjarto der staatlichen Nachrichtenagentur MTI. Er erwarte, dass die EU-Kommission gegen diesen "europäischen Rechtsbruch" einschreite, fügte er hinzu.

Türkis-Blau hatte am Mittwoch beschlossen, die Familienbeihilfe, die an in Österreich arbeitende Eltern geht, an die Lebenshaltungskosten im jeweiligen Heimatland anzupassen. Die Regelung, die für Eltern oder Elternteile gelten soll, deren Kinder weiterhin im Heimatland leben, soll Anfang 2019 in Kraft treten. Betroffen sind nach Schätzungen auch rund 30.000 ungarische Familien. Ministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) erwartet sich davon Einsparungen von 100 Millionen Euro pro Jahr.

EU-Kommission will etwaige Rechtsverletzung prüfen

Die EU-Kommission kündigte umgehend an, die Indexierung einer eingehenden Prüfung unterziehen zu wollen. "Die Europäische Kommission wird den Vorschlag mit Blick auf seine Vereinbarkeit mit EU-Recht prüfen, sobald er angenommen wird", lautete am Mittwoch der knappe Kommentar von Christian Wigand, Sprecher der zuständigen EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen.

Die Kommissarin selbst hatte Österreichs Pläne in der Vergangenheit wiederholt kritisch beurteilt und vor einer Diskriminierung gewarnt. So hatte Thyssen erst vor wenigen Wochen in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage daran erinnert, dass der EU-Vertrag jegliche Diskriminierung - direkt oder indirekt - von Arbeitnehmern auf Grundlage der Nationalität verbiete. Nach den geltenden EU-Regeln für Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme hätten mobile Arbeiter denselben Anspruch auf Kindergeld wie lokale Arbeitnehmer, "unabhängig vom Wohnort der betroffenen Kinder".

Etliche EU-Rechtsexperten halten Österreichs Pläne nicht für rechtskonform. Auch die bisherige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) deutet in diese Richtung. Die österreichische Bundesregierung hält ihr Vorhaben indes für korrekt und beruft sich dabei unter anderem auf ein Gutachten des Sozialrechtlers Wolfgang Mazal. Die Familienbeihilfe sei kein Gehaltsbestandteil und keine Versicherungsleistung, sondern eine Sozialleistung. Sie soll die Lebenshaltungskosten teilweise ersetzen und diese seien aufgrund der unterschiedlichen Preisniveaus in den EU-Mitgliedstaaten auch unterschiedlich, so die Argumentation der Bundesregierung.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte erst Ende März erklärt, dass man bei der Indexierung bzw. Kürzung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder auch ein Vertragsverletzungsverfahren seitens der EU in Kauf nehmen werde. "Wenn es hier Klagen gegen Österreich gibt, dann nehmen wir das zur Kenntnis, aber das bringt uns nicht von unserem Weg ab", sagte Kurz anlässlich 100 Tage Türkis-Blau.

(APA/Red.)

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