Konjunktur in der Eurozone stockt plötzlich

GERMANY-WEATHER-SNOW
GERMANY-WEATHER-SNOWAPA/AFP/dpa/BERND WUESTNECK
  • Drucken

Wetter, Streiks und die Grippewelle bremsen die Wirtschaft in der Eurozone. Das Wachstum wird langsamer, die Stimmung schlechter.

Wien/Berlin/München. Kaltes Wetter, viele Streiks und die Grippewelle haben das Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone zu Jahresbeginn fast halbiert. Das Bruttoinlandsprodukt legte zwischen Jänner und März nur noch um 0,4 Prozent zum Vorquartal zu, wie das Statistikamt Eurostat am Mittwoch in einer ersten Schätzung mitteilte.
In den drei Vorquartalen hatte es noch jeweils zu einem Plus von 0,7 Prozent gereicht. Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum wuchs die Wirtschaftsleistung diesmal um 2,5 Prozent.

„Der Konjunkturmotor im Euro-Raum ist zu Jahresbeginn ins Stottern geraten“, sagte Commerzbank-Ökonom Christoph Weil. Die Gründe dafür führen die Experten des Beratungshauses Capital Economis in einer Analyse aus: „Temporäre Faktoren – darunter das ungewöhnlich kalte Wetter, streikende Arbeiter, kurzfristige Engpässe und auch der Ausbruch der Grippe – haben das Wachstum belastet.“ In Deutschland sind wegen der Grippewelle die Fehlzeiten zeitweise auf ein Zehn-Jahres-Hoch gestiegen.

Hinzu kommt die Euro-Aufwertung: Die Gemeinschaftswährung kostet derzeit zum Dollar rund zehn Prozent mehr als ein Jahr zuvor, was Waren in anderen Währungsräumen verteuert. „In der Vergangenheit hat eine derartige Aufwertung häufig Bremsspuren bei der Konjunktur hinterlassen“, sagte Ökonom Weil.

„Erwartungen gesunken“

Auch in den Unternehmen trübt sich die Stimmung. Das Wirtschaftsklima in der Eurozone kühlt sich im laufenden zweiten Quartal deutlich ab. Das entsprechende Barometer des Münchner Ifo-Instituts fiel von 43,2 auf 31,1 Punkte, wie die Münchner Forscher am Mittwoch in einer Schätzung mitteilten. Im Vorquartal war der höchste Wert seit dem Jahr 2000 erreicht worden.

„Die Lage schätzen die Experten nach wie vor als sehr gut ein, aber ihre Erwartungen sind deutlich gesunken. Damit dürfte sich der Aufschwung verlangsamen“, so die Wirtschaftsforscher.

Laut Ifo-Institut hat sich das Wirtschaftsklima in allen wichtigen Ländern des Euroraums verschlechtert. Einzige Ausnahme sei Spanien. In Italien habe sich das Klima besonders stark eingetrübt, da die Experten sowohl ihre Lage als auch ihre Erwartungen nach unten korrigierten. In Deutschland und Frankreich werde zwar ebenfalls pessimistischer in die Zukunft geblickt. Allerdings bleibe es bei der positiven Einschätzung der aktuellen Lage.

Auch in Österreich wird die Wirtschaftslage zuversichtlicher eingeschätzt, die Konjunkturerwartungen etwas pessimistischer. Der vierteljährliche Ifo-Geschäftsklima-Index basiert dieses Mal auf der Befragung von 341 Experten. Diese erwarten für 2018 ein Wirtschaftswachstum von 2,2 Prozent, nachdem es im vergangenen Jahr 2,4 Prozent waren.
Der starke Euro und Versorgungsengpässe bremsen auch die Industrie in der Eurozone zu Frühjahrsbeginn aus. Die Geschäfte liefen im April so schlecht wie seit über einem Jahr nicht mehr, signalisiert die am Mittwoch veröffentlichte Umfrage des Instituts IHS Markit unter Tausenden Betrieben.

Der daraus ermittelte Einkaufsmanagerindex fiel im Vergleich zum Vormonat um 0,4 auf 56,2 Punkte, hielt sich damit aber deutlich über der Wachstumsschwelle von 50 Zählern. „Der Industriesektor hat zum Start ins zweite Quartal zwar weiter an Dynamik verloren, die Wachstumsrate blieb jedoch auf erfreulich hohem Niveau“, sagte Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson.

Versorgungsengpässe – darunter Lieferschwierigkeiten für Rohstoffe, Lieferverzögerungen und Fachkräftemangel – bremsten demnach die Produktion. „Streiks, schlechtes Wetter und ungewöhnlich hohe Krankheitsausfälle setzten den Unternehmen ebenfalls schwer zu“, so Williamson. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

EU jubelt: Erstmals erreichen alle Euroländer das Defizitziel

Die EU-Kommission hat Österreichs Wachstumsprognose 2018 und 2019 leicht nach unten korrigiert. Die Wachstumsaussichten bleiben stabil, bedroht wird der „solide“ Aufschwung in Europa durch die US-Handelspolitik werden.
Noch läuft die Wirtschaft auf Hochtouren.
Österreich

Das Wirtschaftsklima in der Eurozone kühlt dramatisch ab

Die Erwartungen der Wirtschaftsexperten für den gesamten Euroraum sind deutlich gesunken. Nur ein einziges Land ist davon ausgenommen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.