Mit Federn, Haut und Haar: Konfliktthema Tierschutz

Tierschutz scheint immer noch ein Reizthema für die flächendeckenden geistigen Stammtische hierzulande. Offenbar will es nicht in die Schädel der grundsätzlich konservativen Österreicher (egal, ob schwarz oder grün, rot oder blau), dass Tierschutz und Menschenschutz keine Gegensätze sind.

Empathie mit Tieren gilt immer noch als anrüchig, man will offensichtlich nicht mit taubenfütternden Muatterln oder mit farbsprühenden Aktivisten assoziiert werden. Und „Tierschützer“ firmiert als politischer Kampfbegriff, wie etwa der „Gutmensch“. Vielleicht auch, weil ein letztlich sehr weiblich besetztes Thema in unserer unverändert patriarchalischen Gesellschaft nicht für voll genommen wird. Dabei hat Österreich ein relativ neues Gesetz (TSG2003), das den Tierschutz explizit als zentrales Anliegen des Staates, der Länder und der Gemeinden ausweist. In den Köpfen scheint das aber noch nicht angekommen zu sein.

Sonst hätte man nicht ausgerechnet für ein paar (extreme) Tierschützer erstmals in Österreich unter kabarettreifen juristischen Winkelzügen den „Mafia-Paragrafen“ (Bildung einer kriminellen Vereinigung) als Basis für eine Anklage zurechtgebogen, während die tatsächlich staats- und verfassungsgefährdenden Rechtsradikalen relativ unbehelligt ihre Netzwerke aufbauen. Welch grausige Schräglage des Rechtsstaates!

Was aber ist Tierschutz konkret? Vogel füttern im Winter? Kein Billigfleisch aus dem Supermarkt essen? Zähes Ringen um ein paar Zentimeter mehr Lebensraum für intensiv gehaltene Schweine, Rinder und Hühner? Gegen den Pelzhandel demonstrieren? Vegan leben (und alle anderen verachten, die das nicht tun)? Nun – Mensch-Tier-Beziehung und Tiernutzung sind gesellschaftlich tief verwoben, daher ist auch der Tierschutz eine komplexe und notwendigerweise konfliktträchtige Materie. Individuell praktikable Lösungen wie vegane Ernährung und Verzicht auf jegliche Tierhaltung müssen gesellschaftlich Utopie bleiben. Tierschutz ist vor allem auch ein politischer Prozess. Wie bei den Kinderrechten oder der Fremdenfeindlichkeit sind rasche Siege nicht in Sicht, es bedarf vielmehr einer ständigen, zähen Basisarbeit und Bildungsanstrengung, um das Erreichte zumindest zu halten.


Zumal der Staat mit seinem eigenen Gesetz überfordert scheint. Der Tierschutzrat etwa, das Gremium, das den Gesundheitsminister bei der Durchführung des TSG beraten soll, bleibt zahnlos. Es bedarf daher engagierter Bürger, Organisationen und NGOs im Verbund mit alerten Medien, um die Entwicklung gegen einen riesigen Entropieberg von Unwissen und Borniertheit voranzutreiben. Dazu zählen der Verein „Tierschutz macht Schule“ oder Organisationen wie „Vier Pfoten“, und dem wird auch die zunehmend universitäre Verankerung des Tierschutzes, etwa in Form des heuer an der Veterinärmedizinischen Universität entstehenden Messerli-Institutes für Mensch-Tier-Beziehung dienen. Eine gemischtartliche Gesellschaft, in der es allen gut geht, mit Menschen und Tieren als Partnern auf gleicher Augenhöhe, wird noch lange Utopie bleiben.

Kein Grund, sie nicht anzustreben.

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.


kultur@diepresse.com

Was ist Tierschutz? Vogel füttern im Winter? Gegen den Pelzhandel demonstrieren? Vegan leben?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2010)

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