Nach dem Scheitern seiner Wahl zum Regierungschef hatte Nikol Paschinian seine Landsleute zu "zivilem Ungehorsam" aufgerufen - und damit einen Generalstreik ausgelöst. Nun ist er sich der Unterstützung aller Parlamentsfraktionen sicher.
Armeniens Oppositionsführer Nikol Paschinian hat seine Landsleute aufgerufen, die landesweiten Proteste gegen das Scheitern seiner Wahl zum Regierungschef einzustellen. "Das Problem ist so gut wie gelöst", sagte Paschinian vor zehntausenden Menschen während einer Kundgebung in der Hauptstadt Eriwan am Mittwoch. Alle Fraktionen hätten ihre Unterstützung für seine Kandidatur erklärt.
Unterstützer Paschinians hatten zuvor in Eriwan und anderen Teilen des Landes mit einem Generalstreik Teile des öffentlichen Lebens lahmgelegt.
Am Dienstagabend hatte die bisher regierende Republikanische Partei eine Wahl von Paschinian noch verhindert. Er war nach wochenlangen Protesten gegen den Wechsel des jahrelangen Staatschefs Sersch Sarkissian in das Amt des Ministerpräsidenten der einzige Kandidat für dessen Nachfolge. Sarkissian war am 23. April unter dem Druck der Proteste zurückgetreten.
Zehntausende streikten
Als Reaktion auf die missglückte Wahl rief Paschinian seine Anhänger zu "zivilem Ungehorsam" auf. Zehntausende Armenier traten am Mittwoch in einen landesweiten Generalstreik. Wichtige Verkehrsverbindungen wurden blockiert, der Zugverkehr eingestellt und mehrere Städte praktisch stillgelegt. Wahram Baghdassarian, Fraktionschef der Republikanischen Partei, gab daraufhin zu verstehen, dass seine Partei einen Kandidaten unterstützen würde, der von einem Drittel der Parlamentarier vorgeschlagen werde.
Das armenische Parlament wird am 8. Mai erneut zu einer außerordentlichen Sitzung zusammenkommen, um einen neuen Regierungschef zu wählen. Paschinian rief seine Anhänger dazu auf, an dem Tag eine große Kundgebung zu veranstalten, um "unseren Sieg zu besiegeln". "Wir setzen die Proteste aus und erholen uns", fügte Paschinian hinzu.
Sollten die Abgeordneten am Dienstag keinen neuen Ministerpräsidenten wählen, wird das Parlament aufgelöst und Neuwahlen anberaumt. Die Republikanische Partei von Sarkissjan, der zehn Jahre als Staatschef amtierte, verfügt im Parlament über die absolute Mehrheit von 58 der insgesamt 105 Mandate. Von den 100 Abgeordneten, die am Dienstagabend ihre Stimme abgaben, votierten 55 gegen Paschinian und 45 für ihn.
"Ein bisschen sozialistisch und ein bisschen liberal"
Republikanische Abgeordnete werfen Paschinian vor, dass sein politisches Programm zusammenhanglos sei. "Man kann nicht ein bisschen sozialistisch und ein bisschen liberal sein", sagte der Sprecher der Republikaner und Vizevorsitzende des Parlaments, Eduard Scharmasanow.
Paschinian hat einen Kampf gegen Korruption und Armut in Armenien versprochen. Zudem will er vorgezogene Neuwahlen. Die Unterstützer des 42-jährigen Oppositionspolitikers werfen Sarkissian und seiner Partei vor, den Oligarchen die Kontrolle über die Wirtschaft Armeniens überlassen zu haben.
Russland verfolgt die Entwicklung in der ehemaligen Sowjetrepublik mit Argwohn. Der Kreml befürchtet, dass es in Armenien einen Wechsel hin zu einer antirussischen Führung wie in Georgien oder in der Ukraine geben könnte. Bisher nahm Moskau angesichts der Krise allerdings eine neutrale Haltung ein und sprach von inneren Angelegenheiten Armeniens.
(APA/AFP)