Mord in Dubai: Schwere Verstimmung EU - Israel

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Immer mehr Indizien deuten darauf hin, dass Israels Geheimdienst Mossad EU-Pässe für das Attentat auf den Hamas-Mann al-Mabhouh gefälscht hat. Israels Außenminister Lieberman muss in Brüssel heikle Fragen beantworten.

BRÜSSEL. Das Verhältnis zwischen Europa und Israel hat knapp ein Jahr nach Beginn der Amtszeit von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu einen Tiefpunkt erreicht. Während täglich neue Indizien bekannt werden, die darauf hinweisen, dass Israels Auslandsgeheimdienst Mossad EU-Pässe gefälscht hat, um eine Truppe von Auftragsmördern mit falschen Identitäten auszustatten, nimmt Frankreich einen neuen Anlauf, binnen der nächsten 18 Monate einen Palästinenserstaat ins Leben zu rufen – und zwar ohne Rücksicht auf Israels Reaktion.

Der Mord an dem palästinensischen Hamas-Funktionär Mahmoud al-Mabhouh am 19.Jänner in einem Hotel in Dubai wird zur Nagelprobe für die europäisch-israelische Beziehung. Am Montag rangen sich die EU-Außenminister zu einer Erklärung durch, der Mord habe „Fragen, die die EU zutiefst beunruhigen, aufgeworfen. Dies war eine Tat, die dem Frieden und der Stabilität im Nahen Osten nicht förderlich sein kann.“ Die 27 Außenminister verurteilten „nachdrücklich“, dass die Täter EU-Pässe sowie „Kreditkarten, die durch den Diebstahl der Identitäten von EU-Bürgern erworben wurden“, verwendet hätten. Die EU sei entschlossen, dafür zu sorgen, dass sowohl die Bürger als auch „Staaten in der ganzen Welt weiterhin Vertrauen in die Integrität der EU-Pässe haben können“.

Mossad

Der 1951 gegründete israelische Auslands-Geheimdienst Mossad ist für seine Anschläge und Sabotageakte im Ausland berüchtigt, mit denen er Organisationen wie die palästinensische Hamas oder die libanesische Hisbollah auch direkt bekämpft. Dem Mossad stehen jährlich rund 400 Millionen Dollar zur Verfügung. Sein Personal wird auf 1200 Mitarbeiter geschätzt. Chef des Diensts mit Sitz in Tel Aviv ist seit 2002 der Ex-General Meir Dagan.

Suppe gegen den Mossad wird dicker

Die Außenminister mussten bei der Formulierung dieses Textes, in dem das Wort „Israel“ nicht vorkommt, gleichsam auf rohen Eiern gehen und eine diplomatische Anzeige gegen unbekannt erheben. Denn es ist nicht bewiesen, dass Israel tatsächlich hinter dem Mord an al-Mabhouh steht, der laut Angaben der Hamas Waffen vom Iran in die Palästinensergebiete geschmuggelt hat.

Doch die Suppe wird immer dicker. Am Wochenende berichtete der Londoner „Daily Telegraph“ unter Berufung auf Diplomaten, dass sechs der elf EU-Pässe, die als Deckung für die Attentäter verwendet worden waren, unlängst bei Routineüberprüfungen von britischen Reisenden am Flughafen von Tel Aviv kopiert worden seien. Es habe sich um ältere Pässe ohne biometrische Daten gehandelt, die relativ einfach zu fälschen sind.

Laut „Spiegel“ soll jener deutsche Pass, der von einem der Attentäter verwendet wurde, echt gewesen sein. Er sei vom Kölner Einwohnermeldeamt im Frühsommer 2009 auf einen israelischen Staatsbürger namens Michael Bodenheimer ausgestellt worden. Das habe die Staatsanwaltschaft Köln dazu veranlasst, ein Ermittlungsverfahren wegen mittelbarer Falschbeurkundung einzuleiten. Die Staatsanwälte hegen also den Verdacht, dass der Israeli falsche Angaben gemacht hat, um an seinen Pass zu kommen.

Israels Außenminister, Avigdor Lieberman, traf am Montag in Brüssel einige EU-Außenminister – unter anderem den irischen – zu Vieraugengesprächen, bei denen er wegen der Passfälscher-Affäre zur Rede gestellt wurde. Fünf der betroffenen Pässe stammten von unbescholtenen irischen Staatsbürgern. Über den Inhalt dieser Unterredungen wurde Stillschweigen vereinbart.

Abgesehen davon unternimmt Frankreichs Regierung einen neuen Anlauf, den Palästinensern zu einem eigenen Staat zu verhelfen. Am Montag traf Mahmoud Abbas, der Chef der Palästinenserbehörde, in Paris mit Präsident Nicolas Sarkozy zusammen. Außenminister Bernard Kouchner schlug am Wochenende „die schnelle Ausrufung eines palästinensischen Staates und seine sofortige Anerkennung durch die internationale Gemeinschaft“ vor, idealerweise spätestens im Jahr 2011 und noch „vor Verhandlungen über seine Grenzen“.

In Tel Aviv dürfte sich die Freude über diese Erklärung in Grenzen halten.

AUF EINEN BLICK

Mord in Dubai. Der Hamas-Funktionär Mahmoud Abdel Rauf al-Mabhouh war am 20. Jänner in einem Hotel in Dubai von einem elfköpfigen Mordkommando getötet worden. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Mörder dem israelischen Geheimdienst Mossad angehören. Die internationale Polizeibehörde Interpol leitete eine Fahndung nach elf Verdächtigen ein, die kurz vor der Tat mit britischen, irischen sowie einem deutschen und einem französischen Pass eingereist waren. Israel bestreitet eine Verwicklung in den Fall.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2010)

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