Niederösterreich: "Waldhäusl gießt mit Falschmeldungen Öl ins Feuer"

Die Presse/Clemens Fabry
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In Niederösterreich sei keine konstruktive Integrationsarbeit mehr möglich, meinen Flüchtlingshelfer aus dem Bundesland. Sie werfen dem FPÖ-Landesrat Waldhäusl Zynismus und Menschenverachtung vor - und nehmen auch Landeshauptfrau Mikl-Leitner (ÖVP) in die Pflicht.

Die vom niederösterreichischen Asyllandesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) initiierte Beorderung von Menschen mit negativem Asylbescheid in Sammelquartiere des Landes steht stark in der Kritik: In Niederösterreich wendet sich nun eine Gruppe von 630 Menschen per offenem Brief an Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), um ihr Eingreifen zu fordern. Engagierte aus dem Bundesland gehen zudem mit Waldhäusl persönlich hart ins Gericht.

Die Maßnahmen des Landes würden sich stark auf die Betroffenen auswirken, berichten Aktive aus dem Bundesland. Karl Immervoll aus dem Waldviertel kritisiert, dass keine konstruktive Integrationsarbeit mehr möglich sei. Immervoll ist Pastoralassistent bei der Betriebsseelsorge Oberes Waldviertel. Die Organisation, die Menschen im Arbeitsumfeld weiterhilft, hat seit einiger Zeit auch eine Integrationsbeauftragte. Sie soll weiterhelfen, wenn neu Zugezogene mit Sprachproblemen kämpfen, Wohnungen und Anschluss suchen. Sie organisiert zum Beispiel Sprachkurse - etwa für Ehepartner von Waldviertlern. Auch Asylwerber wurden so von der Betriebsseelsorge betreut. (Die Integrationsbeauftragte wurde übrigens selbst über die "Aktion 20.000" angestellt.)

"Nachdem sich kaum jemand um sie kümmert, helfen wir", sagt Immervoll über die Asylwerber. In den letzten Monaten konnten er und seine Kollegen einen steten Wegfall von Infrastruktur für diese Menschen beobachten. Quartiere werden zudem sukzessive geschlossen. Geld für Sprachkurse gebe es auch keines mehr. "Es ist keine konstruktive Arbeit mit Asylwerbern mehr möglich", sagt Immervoll.

"Nur noch zynisch und menschenverachtend"

Ähnliches berichtet Dieter Schewig, Vorstandsmitglied bei "Willkommen Mensch in Horn", einer Organisation Ehrenamtlicher, die seit 2015 Asylwerber in der Waldviertler Bezirkshauptstadt betreut: Es würde mittlerweile um die Themen Integration, Arbeit, Sprache, Lernunterstützung gehen. Doch die Leistungen von Bund und Land würden heruntergefahren. So werde Ende dieses Jahres ein Deutschkurs-Angebot für Asylwerber eingestellt: "Wir konnten damit eine 75-prozentige Abdeckung mit Deutschkursen erreichen. Jetzt mussten 20 Kurse im Wein- und Waldviertel abgesagt werden."

Bei vielen anderen Hilfsprojekten - wie bei der Familienberatung, die von österreichischen wie von ausländischen Familien genutzt wird - sei die Finanzierung unklar und nicht gesichert. "Die Wirkung dieser Projekte ist deeskalierend", meint Schewig. Dass sie gestrichen werden könnten, sei "einfach traurig". Rund 140 Asylwerber gebe es aktuell in Horn, rund die Hälfte von ihnen habe Asyl erhalten, die anderen würden auf den zweiten Asylbescheid warten: "Es herrscht wahnsinnig große Verunsicherung bei den Asylwerbern."

"Sie kann sich da nicht zurücklehnen"

Schewig nennt die Pläne und Aussagen von Landesrat Waldhäusl - Stichwort "Saustall" - "nur noch zynisch und menschenverachtend". Waldhäusl mache bewusst Stimmung und gieße mit Falschmeldungen Öl ins Feuer einer Debatte: "Menschen mit negativem Asybescheid sind keine Illegalen. Sie sind gemeldet, die Behörde weiß, wo sie leben, sie nehmen Rückkehrberatung in Anspruch", meint Schewig über den Großteil der Betroffenen: "Der Bund ist dafür verantwortlich, dass sie auch zurückkehren können." Was ja nicht immer möglich sei.

Mit der Maßnahme, negativ Beschiedene in Sammelquartiere zu schicken, würde Waldhäusl diese ohnehin hart Getroffenen noch einmal demütigen, meint Schewig - und sieht Landeshauptfrau Mikl-Leitner in der Pflicht: "Sie kann sich da nicht zurücklehnen", immerhin sei Waldhäusl eines ihrer Regierungsmitglieder. Per offenem Brief forderte Schewig mit rund 630 anderen Personen Mikl-Leitner unter anderem dazu auf, Waldhäusl zurechtzuweisen.

"Waldhäusl nimmt bewusst Ausländerkriminalität in Kauf"

Asylwerber seien zuletzt immer häufiger untergetaucht, erzählt Immervoll. Vor allem Afghanen: Österreich schiebt seit einiger Zeit vermehrt Menschen nach Afghanistan ab. Die Angst vor der Rückkehr in das Heimatland dürfte zum Verschwinden der Betroffenen führen. Wohin sie gingen, weiß Immervoll nicht. Auch jetzt, mit den von Landesrat Waldhäusl eingeführten Massenquartieren, gebe es eine Welle Untertaucher. Bis 4. Mai hätten sich die abgelehnten Asylwerber in den zugeteilten Landesquartieren einfinden müssen - "natürlich sind nicht alle dorthin gegangen", meint Immervoll.

Zahlen zu Asylwerbern in Heidenreichstein hat Immervolls Organisation zwar keine. Dadurch, dass man wisse, wo manche ihre Wohnungen hätten, könne man aber einen gewissen Überblick behalten: "Um in der Sprache von Waldhäusl zu bleiben: Wer ordnungsgemäß weggeht oder wer nicht ordnungsgemäß weggeht, können wir nicht einschätzen." Man könne nur vermuten, wer untergetaucht sei.

Immervoll will Waldhäusl jedenfalls eine Sache ausrichten: "Wenn er selber damit rechnet, dass nicht alle dorthin kommen, nimmt er bewusst Ausländerkriminalität in Kauf." Denn: "Von irgendetwas müssen die Leute auch leben."

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