Audis kurzer Traum vom eigenen Motorrad

(c) Markus Jahn
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Entwicklung im Geheimen und nächtliche Testfahrten: Audis Zweiradabenteuer endete jäh. Und auch die Kultmarke Ducati muss die VW-Tochter nun abgeben.

55.871 verkaufte Motorräder, 736 Mio. Euro Umsatz: 2017 war ein gutes Jahr für Ducati, und das heurige fängt auch nicht schlecht an: mit einem Sieg beim ersten MotoGP-Rennen in Qatar und der Ranglistenführung für Ducati nach drei gefahrenen Läufen. Mehr als nur ein Achtungserfolg in der prestigeträchtigen Rennserie, die nach Budgets und Erfahrung von den Riesen aus Japan (Honda, Yamaha) dominiert wird.

Der seit seiner Gründung vor 92 Jahren in Bologna ansässige Motorradhersteller gehört seit sechs Jahren zur Audi-Gruppe.

Die für viele überraschende Übernahme 2012 lässt sich leicht mit dem langjährigen VW-Patriarchen Ferdinand Piëch in Verbindung bringen. Denn der Österreicher hatte einen ausgeprägten Sinn für historische Kraftlinien, und denen zufolge steckt Audi das Zweirad tief in den Genen: Die Marken DKW und NSU, als Teile eines Markenkonglomerats, aus dem schließlich die neuzeitliche Audi AG hervorging, bauten über viele Jahre und erfolgreich Motorräder, NSU galt Mitte der 1950er gar als größter Motorradhersteller der Welt.


Zum andern war Piëch selbst Mentor eines Projekts, das Audi Mitte der Siebziger zum Motorradhersteller hätte machen sollen - dem zweiten in Deutschland neben BMW. Kein abwegiger Gedanke, denn die Motorradsparte von BMW floriert und trägt nicht unbedeutend zum BMW-Ergebnis bei.

Treibende Kraft des Zweirad-Projekts bei Audi war der motorradnarrische Ingenieur Roland Gumpert. Seine Rückendeckung kam von Piëch, der soeben als Entwicklungschef zu Audi gestoßen war und frischen Wind verhieß. Piëch ließ Gumpert werken, verlangte aber Geheimhaltung, um nicht die gestrengen Aufseher von Mutter Volkswagen auf den Plan zu rufen.

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Gumpert hatte nicht die Ressourcen für eine eigene Konstruktion, aber er hatte einen Motor, den 60 PS starken 1,1-Liter-Vierzylinder aus dem Audi 50. Der wurde in das Gestell einer gebrauchten BMW R80 eingebaut, die Schweißarbeiten am Rahmen waren für Gumperts Leute keine Schwierigkeit. Statt den für BMW typischen Kardanantrieb verbaute man eine eigens konstruierte Hinterradschwinge mit Kettenantrieb, das Getriebe entlehnte man einer Norton Commando. Der technoide Look der "Audi Z02" wäre damals als Avantgarde durchgegangen.


In jedem Fall hatte man ein äußerst kräftiges Big Bike geschaffen, das Gumperts Testfahrten - gern mit Tempo 200 und vorzugsweise nächtens über die Autobahn - gut überstand.

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Weniger galt das für den Termin mit dem mächtigen VW-Vertriebsvorstand, der eine Diskussion über Audis Einstieg in die Zweiradwelt gar nicht erst aufkommen ließ: "Wir sind ja kein Fahrradhändler!" Gumpert verräumte den Prototyp, seine Stunde schlug später als heldenmäßiger Audi-Sportchef in der triumphalen Quattro-Ära.


Nun muss sich Audi von der Kultmarke Ducati - wie übrigens auch von Lamborghini - verabschieden. Lambo kommt unter ein Dach mit Bugatti und Bentley unter der Führung von Porsche. Ducati wird vermutlich veräußert. Der neue VW-Chef Diess sieht Audis Rolle darin, "sich auf das Premiumsegment zu konzentrieren" und den Rückstand zu BMW und Mercedes eilends aufzuholen. Kein Spielzeug mehr! [*]

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