Häupl: "Mit Shoah-Vergleichen soll man immer vorsichtig sein"

Aus dem Archiv: Der scheidende Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ)
Aus dem Archiv: Der scheidende Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ)Die Presse (Clemens Fabry)
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Michael Häupl (SPÖ) findet die von FPÖ und ÖVP heftig kritisierte Rede des Autors Michael Köhlmeier zu 99 Prozent positiv – mit einer Ausnahme. Auch Köhlmeier äußert sich.

Wien. Der scheidende Wiener Bürgermeister, Michael Häupl (SPÖ), sieht die Rede, die der Schriftsteller Michael Köhlmeier beim Gedenkakt des Parlaments für die NS-Opfer am Freitag gehalten hat, „zu 99 Prozent positiv“. „Die einzige Anmerkung, die ich hätte: Mit Shoah-Vergleichen soll man immer vorsichtig sein“, sagte er am Sonntag in der ORF-Pressestunde.

Die Rede, die teilweise mit Standing Ovations aufgenommen wurde, bei FPÖ und ÖVP aber auf heftige Kritik stieß, sei grundsätzlich „würdig, in Ordnung und begrüßenswert“, sagte Häupl. Natürlich habe der Autor das Recht, überzogen und zugespitzt zu formulieren, lediglich dieser Vergleich sei „in die Hose gegangen“.
Köhlmeier hatte in Anspielung auf die Schließung der Balkan-Route im Verlauf der Flüchtlingskrise gesagt: „Es hat auch damals (in der NS-Zeit, Anmerkung) schon Menschen gegeben, die sich damit brüsteten, Fluchtrouten geschlossen zu haben.“

Die ÖVP kritisierte diesen Vergleich scharf: Eine Gleichstellung der Politik gegen illegale Migration mit der Ermordung von sechs Millionen Juden sei „völlig inakzeptabel“. Die FPÖ warf dem Autor vor, er habe „die Ungeheuerlichkeit des Holocaust verharmlost und gleichzeitig eine Million österreichische Wählerinnen und Wähler pauschal verunglimpft“.

Schriftsteller Michael Köhlmeier
Schriftsteller Michael KöhlmeierDie Presse (Clemens Fabry)

„Nichts liegt mir ferner“

Köhlmeier selbst sagte zu dem Vorwurf der Verharmlosung der NS-Zeit gestern in der Zeitung „Österreich“: „Das ist Chuzpe. Aber ich möchte diesen Vorwurf ernst nehmen: Man möge mir die Stelle in meiner Rede zeigen, wo ich das getan habe. Denn nichts liegt mir ferner, als den Holocaust zu verharmlosen.“ Bei ihm läute den ganzen Tag das Telefon. „Nur positive Reaktionen. Die mir nicht Wohlgesonnenen haben die Nummer nicht.“

Öffentlich sprang dem Schriftsteller auch der Chef der Autorenvereinigung, Gerhard Ruiss, bei. Es sei weder dem Anlass angemessen, Köhlmeiers Kritik „Holocaust-Verharmlosung“ zu unterstellen, noch sich seitens der FPÖ „schon wieder als die eigentlich Verfolgten darzustellen“, sagt Ruiss: „Köhlmeier hat auf die größere historische Dimension der Äußerung, jemand habe eine Fluchtroute geschlossen, hingewiesen und auf ihre menschenfeindliche bis menschenverachtende Seite.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2018)

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