IKG-Chef Oskar Deutsch kritisierte beim Gedenken an die Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen die (ausgeladene) FPÖ scharf und rief zu Protest gegen Burschenschafter auf. In Wien mahnte zuvor die Regierungsspitze.
Mauthausen/Wien. Zwar war die FPÖ inklusive Vizekanzler Heinz-Christian Strache von Mauthausen explizit ausgeladen – dennoch nahm sie bei dem mit Spannung erwarteten Gedenkakt, bei dem gestern mehr als 10.000 Menschen der Befreiung des Konzentrationslagers vor 73 Jahren gedachten, einigen Platz ein. Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, kritisierte die Freiheitlichen in seiner Rede scharf. Und rief zum Protest gegen Burschenschafter auf.
„Der rassistische Ungeist lebt in vielen deutschnationalen Burschenschaften weiter. Seien wir genau: Sie sind keine Nazis, sie sind die Nachfolger der Vorgänger der Nazis. Und ihr politischer Arm ist die FPÖ“, sagte Deutsch. Mehrere Mitglieder der Burschenschaft von Georg Schönerer, von den Nazis als Wegbereiter des großdeutschen Reichs gewürdigt, seien für die jetzige Regierungspartei aktiv. „Wenn wir nicht dagegen protestieren, hier und jetzt – was haben wir dann aus der Geschichte gelernt?“
„Keine Bühne für Maskerade“
„Ja, richtig wäre, dass die gesamte Bundesregierung in Mauthausen gedenkt“, sagte Deutsch mit Blick auf die Ausladung der FPÖ. „Aber nein, es ist falsch, Menschen, die die die Befreiung Europas am 8. Mai als Niederlage betrauern, und die Überlebende dieses KZ als ,kriminell‘ und ,Landplage‘ bezeichnen, eine Bühne für eine Maskerade zu bieten, nur weil sie nun nach Anerkennung streben“. Strache habe sich zwar vom Antisemitismus distanziert. Doch: „Allein seit Regierungsbildung gab es mindestens 23 antisemitische oder neonazistische Vorfälle in den Reihen der FPÖ – meistens blieben sie ohne politische Konsequenzen.“
Auch SPÖ und ÖVP hätten Nazis Asyl gewährt und sie geschützt. Doch alle Parteien würden aufrichtig mit ihrer Geschichte, der Österreichs und der Verantwortung umgehen. „Nur eine Partei tut sich schwer. Würden wir das im Gedenkjahr verschweigen, würden wir die Toten entehren.“
Das Mauthausen Komitee bekräftigte seinen Beschluss aus den 1960er-Jahren, dass „keine Funktionäre oder Mandatsträger der FPÖ“ je an den Gedenkakten teilnehmen dürfen. „Ich küsse und umarme euch, weil ihr die nicht eingeladen habt, die mich demütigten“, zitierte Willi Mernyi, Chef des Komitees, den KZ-Überlebenden Aba Lewit. In seiner Rede rief Mernyi zu Solidarität und Menschlichkeit auf – und wies darauf hin, dass 1938 auch strenge Einwanderungsbestimmungen Flucht fast unmöglich gemacht hätten.
Mit rund 10.000 Gästen besuchten mehr Menschen das Gedenken als zuletzt. Das offizielle Österreich war unter anderem durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, seinen Vorgänger Heinz Fischer, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) vertreten. SPÖ-Parteichef Christian Kern sprach beim Bernaschek-Denkmal. Sobotka – wie Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) mit Kippa – betonte die Verantwortung, die jüdischen Mitbürger so zu schützen, dass sie ohne Angst ihr Leben gestalten könnten. Es sei wichtig, präventiv zu wirken. „Es ist unsere Aufgabe dieses Gedenken wachzuhalten.“ Der Weg solle aber auch von Versöhnung und Frieden geprägt sein.
„Nicht vom Himmel gefallen“
Zuvor hatte die Regierungsspitze in Wien mit einer Kranzniederlegung am Mahnmal gegen Krieg und Faschismus in Wien den NS-Opfern gedacht, Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) und Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) legten auch einen Kranz beim Mahnmal Am Spiegelgrund nieder. Van der Bellen mahnte: „Weder Auschwitz noch Mauthausen ist vom Himmel gefallen.“ Die Entwicklung habe schon viele Jahre vor dem Krieg begonnen und sei Schritt für Schritt erfolgt. Man gedenke dieser Tage den dutzenden Millionen Toten, denke aber auch „an einen Freudentag, an das Ende des Krieges und die Befreiung vom Nationalsozialismus“.
Kanzler Kurz erinnerte daran, dass Österreicher im Nationalsozialismus „Opfer, aber genauso auch Täter waren“. Aus einem Zeitzeugengespräch hätte er die alte jüdische Weisheit mitgenommen, dass „das Geheimnis der Erlösung die Erinnerung ist“. Denn nur, wer sich erinnere, könne die Fehler der Vergangenheit vermeiden und es künftig besser machen.
Bei dem Gedenkakt in Wien sprach auch Vizekanzler Strache. Er mahnte ebenfalls zur „Übernahme von Verantwortung für die Vergangenheit und die Zukunft“. Ein zentrales Motiv seiner Rede: das KZ Mauthausen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2018)