Reizwort Bologna? "Wir sind nicht allein"

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541892(c) APA (HERBERT PFARRHOFER)
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Friedrich Faulhammer, Generalsekretär des BMWF, nimmt Stellung.

„Die Presse“:„Bologna“ und „Master“ sind zu Reizwörtern geworden, die Lehrende wie Studierende auf die Barrikaden bringen. Was ist das Problem?

Fritz Faulhammer: Die Grundidee von Bologna ist wichtig und gut – in der Umsetzung gibt es aber vor allem in jenen Ländern, die bisher einstufig geführte Systeme (Diplomstudium als ersten akademischen Grad) hatten, Probleme. Aber auch im angelsächsischen Raum verlangt der Bologna-Prozess ein Umdenken – der Schwerpunkt liegt jetzt nicht mehr darin, wie viele Stunden unterrichtet werden, sondern was der „learning outcome“ ist, was die Studierenden am Ende können.

Was ist zu tun?

Faulhammer: Wir wissen, wir müssen noch viel kommunizieren, mit den Unis, aber auch mit der Wirtschaft. Und im öffentlichen Dienst muss sich die A-Wertigkeit des Bachelors durchsetzen. Hier sind Gespräche mit dem Bundeskanzleramt notwendig.

Konflikte entstehen auch daraus, dass die Abkehr von einem gewohnten Modell missverstanden wird als Ablehnung jener, die dieses Modell leben oder gelebt haben. Könnte das die Emotionalität der Diskussion erklären?

Faulhammer: Es ist ganz sicher auch eine Wertediskussion. Und es ist in all den Jahren, die ich im Ministerium arbeite, in der Diskussion der Dinge immer um „null oder hundert“ gegangen. Selten um den großen Spielraum dazwischen.

Also ein Aufeinanderprallen unvereinbarer Wertvorstellungen?

Faulhammer: Natürlich. Aber unvereinbar heißt nicht, dass es keine Lösung geben kann. Die Bachelors und Master an den FH werden auch in Zukunft jene sein, die ausbildungsorientiert sind. Und die Unis werden weiterhin auch den emanzipatorischen Bildungsbegriff transportieren können. Dass hier von acht auf sechs Semester verkürzt wird, heißt ja nicht, dass jetzt alle Inhalte weg sind. Es ist einfach eine strukturelle Umstellung.

Ein straffes Programm lässt aber grundsätzlich weniger Zeit.

Faulhammer: Wenn das Programm eine reine Straffung bedeutet, ja. Es ist nicht Sinn und Zweck, dass achtsemestrige Diplomstudien einfach in sechs Semester gepackt werden.

Müsste dann dieser Teil der Studierenden, der sich umfassend bilden möchte, ein Doktorat anstreben?

Faulhammer: Das wäre eine Möglichkeit. Oder ein Master auf einer Uni. Oder die Uni schafft es, diesem umfassenden wissenschaftlichen Anspruch auch schon im Bachelor zumindest teilweise gerecht zu werden.

Hat die Uni diese Freiheit?

Faulhammer: Die Uni muss viel erfüllen, und sie kann viel erfüllen. Universitäten sind ja sehr interessante Institutionen. Einerseits sind sie Stätten der Innovation, der Entwicklung und Forschung. Andererseits agieren sie aber oft sehr konservativ, was ihre Strukturen anbelangt. In ihrer beharrenden Haltung vermitteln sie ihren Studierenden und dem Arbeitsmarkt, dass Bachelor und Master nichts Gutes sind, nichts von Bedeutung. Dabei liegt es vor allem an den Universitäten selbst, ihre Studienpläne so zu gestalten, dass die Umstellung auf das Bologna-System ein positiver Fortschritt ist.

Dass die Proteste jetzt massiv geworden sind, ist symptomatisch für die konservative Haltung der Unis?

Faulhammer: Die Proteste zeigen, dass es den Leuten nicht egal ist, was passiert. Und das bildet die Grundlage jeder ehrlichen Diskussion. Die Kritik hat ja auch Berechtigung. Wir wissen, wir müssen vieles nachbessern, nachschärfen. Das gelingt am besten gemeinsam mit jenen, die es betrifft.

Mainstream wird also die fachliche Qualifikation für den Arbeitsmarkt?

Faulhammer: Der größte Teil der Studierenden strebt eine hohe fachliche Qualifikation an, um auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein.

Und der Rest muss auf seine Wünsche verzichten?

Faulhammer: Nein, denn Mainstream heißt ja nicht, dass es nicht auch anderes gibt. Natürlich wird es auf den Universitäten auch weiterhin Platz für umfassende Bildung geben. Wie gesagt, man muss differenzieren und im Rahmen des Neuen auch Neues schaffen. Natürlich geht es nicht, alte Strukturen in einen neuen Rahmen zu pressen. Man kann die neuen Gegebenheiten aber auch nutzen statt sie abzulehnen.

Widerspricht man mit der Differenzierung der Master in wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Ausrichtung, in FH und Uni, nicht dem Anspruch der internationalen Vergleichbarkeit?

Faulhammer: Natürlich muss, wo Master draufsteht, auch Master drin sein. Andersartig, aber gleichwertig – dagegen spricht überhaupt nichts.


Darf man mit jedem Mastertitel den Doktor machen?

Faulhammer: Es genügt prinzipiell der Bachelor. Die Art des Masters ist also unwichtig. Allerdings haben wir in Österreich die einzigartige Situation, dass es einen Rechtsanspruch auf ein Doktoratsstudium gibt. Früher war das ein Diplomstudium, heute ist das als Äquivalent der akademische Master. Dann kann man sein Recht auf ein Doktoratsstudium einklagen. Bei allen anderen liegt es im Ermessen des Anbieters, wer genommen wird.

Ist das nicht eine Farce?

Faulhammer: Es ist sicher nicht zeitgemäß.

Wünschen Sie sich manchmal, es wäre alles beim Alten – und Bologna einfach nur der Name einer Stadt?

Faulhammer: Ich wünsche mir die Bereitschaft für eine offene und sachliche Diskussion und den Willen, etwas Neues zu schaffen, das gut ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2010)

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