Unternehmen, Häuser, Tourismus, Energie: Alle wollen nachhaltig sein. Wie sie es werden können, zeigen zukünftig die Absolventen diverser Masterstudien.
Toll ist so ein Trend. Man muss gar nicht genau wissen, worum es geht, um ihm zu folgen. Bei Nachhaltigkeit wissen es die meisten: Irgendetwas mit Klima und so. Oder doch viel mehr? Viel zu oft wurde der Begriff in den Mund genommen, übrig geblieben ist oftmals eine Worthülse, die munter auf alles geklebt wird, was sich gut verkaufen soll. Umso besser, dass man „Nachhaltigkeit“ jetzt studieren kann, um ihr auf den Grund zu gehen. Zwar nicht transdisziplinär (siehe Artikel links), sondern nur in einzelnen Bereichen, die trotzdem selbstbewusst „nachhaltig“ im Namen führen; Zugänge aus verschiedenen Fachrichtungen also, damit es der Welt nicht so geht wie dereinst den Osterinseln, wo die Menschen ihre Ressourcen so lang ausgebeutet haben, bis ihre „Welt“ zusammenbrach.
Das „Gesamtsystem“ zählt
Wer „nachhaltig“ sagt, sagt meistens irgendwann auch „Energie“. In einen Masterstudiengang, der berufsbegleitend von der FH Burgenland angeboten wird, übersetzt heißt das: „Nachhaltige Energiesysteme“. „Es geht um Energieeffizienz-Optimierung“, sagt Studiengangsleiter Arne Ragossnig. Und nicht nur die erneuerbaren Energien spielen dabei eine Rolle, auch noch zum Teil die fossilen, weil sie das in praktischen Überlegungen einfach noch müssen. „Es kann zurzeit nur ein Mix sein“, in dem unter anderem inhaltlich auch Wasserkraft und Biomasse vertreten sind. „Das Gesamtsystem spielt eine Rolle“, sagt Ragossnig.
Böse Bauten, gute Bauten
Wenn Unternehmen etwa von fossilen auf erneuerbare Energien umstellen wollen, könnten zukünftige Absolventen die Konzepte dafür austüfteln: „Unsere Absolventen können die technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen innerhalb des Gesamtsystems so beurteilen, dass sie das richtige Energiekonzept auswählen“, so Ragossnig. Insofern seien die vermittelten Energiesysteme „nachhaltig“. Doch im Grunde könne man den Begriff „Nachhaltigkeit“ nur im System betrachten. Denn selbst die Herstellung von Fotovoltaik-Modulen verbraucht viel Energie – und auch Biomasse, wenn sie von weit her herangekarrt werden muss.
Besonders die bebaute Umwelt hat ökologisch ein schlechtes Image. Denn gierig fressen die Häuser Energie, noch bevor sie überhaupt stehen – allein schon durch die Erzeugung ihrer Baustoffe. Während des Lebens verbrauchen sie weiter maßlos, bis sie unersättlich sogar noch Energie schlucken, wenn sie entsorgt werden. Der Masterstudiengang „Nachhaltige Bautechnik“ an der FH Campus Wien nimmt sich dieser und ähnlicher Themen an. Denn, so Studiengangsleiterin Doris Link, die Teilnehmer sollen auch Know-how über den Lebenszyklus der Gebäude erwerben. Und auch über „nachhaltige“, recycelbare Baustoffe.
Aber auch die klassischen technischen Maßnahmen, bei denen in der Praxis „nachhaltig“ und „energieeffizient“ oft zu falschen Synonymen werden, sind Teil des Curriculums: etwa die thermische Sanierung oder die Revitalisierung und Energieoptimierung von Altbauten. Auch der Kriterienkatalog der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) zieht sich als weiterer Leitfaden durch den Lehrplan. Experten aus verschiedensten Bereichen, wie Passivhaus- und Niedrigenergiehaustechnik, füllen den Know-how-Pool des Studiengangs, aus dem die Teilnehmer für ihre spätere Tätigkeit schöpfen können.
„Nachhaltigkeit im Baubereich entwickelt sich gerade von der Nische zum Standard“, meint Link. Schon diesen Sommer werden die ersten Absolventen des berufsbegleitenden Studiengangs ihr erworbenes Wissen in die Wirtschaft hinaustragen. „Absolventen werden von Industrie und Gewerbe stark nachgefragt. Auch bei vielen Ausschreibungen werden die nachhaltigen Aspekte schon explizit gefordert.“
Nachhaltigkeit, die auf drei Säulen, ökologisch, ökonomisch und sozial, „steht“, ist auch im Tourismus ein großes Thema. Schließlich werden gerade dort die verheerenden Folgen schneller sichtbar als anderswo. „Nachhaltige Tourismuswirtschaft“ kann man jetzt studieren, zwar nicht in Österreich, aber an der FH Eberswalde, unweit von Berlin. Die Studierenden sollen dort lernen, langfristig tragfähige Konzepte für die touristische Entwicklung von Regionen zu entwerfen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2010)