Film studieren: Die Oscarstatue im Visier

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Von 160 Bewerbern an der Filmakademie werden zwölf genommen, die auf Michael Hanekes Spuren wandern sollen.

Lange Zeit wagten viele davon nicht einmal zu träumen. Dass ein Österreicher einmal unter tosendem Applaus den roten Teppich hin zu jenem Podium entlangschreiten würde, an dem Jahr für Jahr der begehrteste Filmpreis der Welt verliehen wird: Der „Academy Award of Merit“, besser bekannt als Oscar.

Der österreichische Regisseur Stefan Ruzowitzky hat es geschafft. Am 24. Februar 2008 durfte er für seinen Film „Die Fälscher“ den Oscar für den besten ausländischen Film von Schauspielerin Penélope Cruz entgegennehmen. Götz Spielmanns „Revanche“ ging im Vorjahr zwar leer aus. Mit Christoph Waltz, Christian Berger und Michael Haneke dürfen sich heuer aber schon die nächsten Österreicher über Nominierungen freuen. Auch, wenn Hanekes „Das weiße Band“ eigentlich für Deutschland ins Rennen geht. Eine Vorstellung, von der sicher viele träumen. Unter anderem auch jene potenziellen Oscar-Gewinner, die an der Wiener Filmakademie studieren.

Auf zwölf bis 20 Studienplätze kommen pro Jahr rund 160 Anwärter. Eine, die diese erste Hürde schon genommen hat, ist die 23-jährige Clara Trischler. Seit eineinhalb Jahren studiert sie „Drehbuch“ an der Filmakademie, die an der Universität für Musik und darstellende Kunst angesiedelt ist. „Mit dem Oscar hat das aber wenig zu tun“, sagt sie. Sie wusste schon viel früher, dass ihre Zukunft im Film liegen wird.

„Man muss das wirklich wollen“

Bereits mit zwölf Jahren nimmt sie an Videoworkshops teil. Dann besucht sie ein Jahr lang eine Filmschule in Dänemark, absolviert ein Praktikum bei einer Filmproduktionsfirma in Berlin, geht nach Israel, schreibt, sammelt Ideen, die sie später filmisch umsetzen will. Ihr nächstes Projekt soll eine Dokumentation werden, für die sie nach Israel zurückkehren wird.

„Man muss das wirklich wollen“, sagt sie. Ihr Studium beansprucht ihr komplettes Zeitbudget. „Tagsüber hast du Vorlesungen, deine Drehbücher schreibst du in der Freizeit und am Wochenende drehst du“, beschreibt Clara ihr Dasein als Filmstudentin.

Darüber, ob sie sich mit dem Drehbuchschreiben auch über Wasser halten können wird, will sie sich jetzt einmal nicht den Kopf zerbrechen. „Ich habe beschlossen, dass es ein Weg ist. Nebenbei werde ich sicher auch andere Sachen schreiben“, erzählt Clara, die bereits jetzt neben ihrem Studium Filmkritiken für FM4 schreibt.

Dem Rummel um den Oscar steht sie etwas zwiespältig gegenüber: „Natürlich ist es toll. Aber in Österreich kannst du erst berühmt werden, wenn du es im Ausland zu etwas bringst und dann zurückgeholt wirst. Vorher werden Filmschaffende hier nicht gefördert.“

„Seifenblase Filmschule“

An die Filmakademie hat es Clara erst im zweiten Anlauf geschafft. Die Konkurrenz ist nämlich ganz und gar nicht überschaubar. Jährlich werden durchschnittlich 16 Studenten für fünf Fächer aufgenommen, neben Drehbuch kann man an der Filmakademie Regie, Kamera, Produktion und Schnitt studieren. Die Bewerber kommen nicht nur aus Österreich. Auch die deutschen Nachbarn bemühen sich um die wenigen Studienplätze.

Wie zum Beispiel Vanessa Gräfingholt. Vor etwa eineinhalb Jahren ist sie für ihr Regiestudium nach Wien gekommen. Ihr Lebenslauf liest sich ähnlich wie der von Clara: Nach Praktika beim Fernsehen in Köln geht Vanessa zunächst nach Berlin, um für eine Filmproduktionsfirma zu arbeiten. Sie assistiert einer Casterin, studiert an der „Filmarche“, der selbstorganisierten Filmschule in Berlin. Schließlich erzählt ihr eine Bekannte von der Wiener Filmakademie. Vanessa bewirbt sich, es klappt auf Anhieb. „Dann musste ich mich innerhalb von drei Tagen entscheiden, ob ich nach Wien ziehe“, erzählt sie. Drei Tage später hatte sie ihre erste Vorlesung an der Filmakademie.



„Die Gefahr zu stolpern ist allein viel höher.“

Vanessa Gräfingholt, Filmstudentin

Vanessa ist froh über ihre Entscheidung. Natürlich sei es möglich, als Autodidaktin Erfolg zu haben, aber: „Die Gefahr zu stolpern ist viel höher.“ In der „Seifenblase Filmschule“ könne man in einem geschützten Rahmen viel ausprobieren: „Du machst etwas, keiner findet es toll, keiner will es sehen, aber am Ende hast du dabei etwas gelernt“, sagt Vanessa.

Auch, wenn einem die anderen nicht immer weiterhelfen können: „Es kann dir niemand sagen, wie man Filme macht. Die anderen können dich nur auf Fehler hinweisen.“

Den Altersdurchschnitt in ihrer Klasse schätzt Vanessa auf 22 – trotzdem ist die 27-Jährige froh, dass sie „erst jetzt“ studiert. „Wenn ich das mit zwanzig gemacht hätte, hätte ich nicht das Rückgrat gehabt zu sagen, was ich bei meinen Filmen wirklich will.“

Einer ihrer Lehrer ist Michael Haneke, der seit 2002 an der Filmakademie unterrichtet. Ein Name, der auch über die Grenzen bekannt ist. Viele ihrer Kollegen in Deutschland wüssten gar nicht, dass es in Wien überhaupt eine Filmschule gibt, aber den Haneke, „den kennen sie immer.“

AUF EINEN BLICK

Film studieren in Österreich
An der Wiener Filmakademie, die an der Universität für Musik und darstellende Kunst angesiedelt ist, werden jährlich zwischen zwölf und 20 von rund 160 Bewerbern aufgenommen. Derzeit hat die Filmakademie, die einzige universitäre Filmausbildung Österreichs, rund 110 Studenten, die sich auf fünf Studienrichtungen aufteilen: Drehbuch, Kamera, Produktion, Regie und Schnitt. Bekannte Absolventen sind etwa die Regisseure Götz Spielmann („Revanche“) oder Hubert Sauper („Darwin's Nightmare“).

Oscars für Österreich
Mit seinem Nazidrama „Die Fälscher“ holte Stefan Ruzowitzky 2008 den ersten Oscar für Österreich. 2009 wurde Götz Spielmanns „Revanche“ für den Auslands-Oscar nominiert, ging bei der Verleihung aber leer aus. Auch heuer gibt es österreichische Anwärter auf den Academy Award: Nominiert sind Michael Haneke und sein Kameramann Christian Berger für „Das weiße Band“ und Christoph Waltz für seine Darstellung in „Inglourious Basterds“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2010)

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