Die Hochschule findet ihre Meister

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Grüß Gott, Herr Magister! Das gibt es bald nur mehr in der österreichischen Nostalgie. Was das neue Studium alles kann, können sollte, und warum es so viele Hoffnungen und Ängste weckt.

Grüß Gott, Herr Magister! Das gibt es bald nur mehr in der österreichischen Nostalgie. Der Bologna-Prozess verdrängt landesspezifische Titelextrawürste aus den Grußformeln und aus der Bildungslandschaft. Ein einheitlicher Hochschulraum soll entstehen, in dem die Mobilität zwischen den Ländern erleichtert wird. Und auch zwischen Studiengängen, egal, ob an Uni oder FH.

Ein generalistisch angelegter Bachelor zuerst, danach ein Masterstudiengang mit zielgerichteter, vor allem beruflich-fachlicher Spezialisierung – so will es das Modell. Wie leicht das Hin- und Herwechseln zwischen verschiedenen Institutionen und Fächern sein kann, legen die Unis und Fachhochschulen selbst fest. Zwar sind vor dem Leistungspunktesystem ECTS alle Studierenden gleich, doch ob Masterstudienplätze vorhanden sind und das Fach, in dem der Bachelor absolviert wurde, richtig gewählt war – das steht auf einem anderen Blatt.

Neu, aber nicht leichter

Zuerst grundlegende Allgemeinbildung, dann Spezialisierung. Nach diesem Prinzip funktioniert Hochschulbildung in angelsächsischen Ländern, in denen man nach einem Philosophie-Bachelor seinen Master dann an der Law School angehen kann. In Österreich bleibt ähnliche Freiheit der Wahl auch nach Einführung der neuen Studienarchitektur Utopie. „In manchen Fällen ist es leichter, von einer österreichischen Universität an eine deutsche oder schweizerische zu wechseln als innerhalb des Landes“, meint der Bildungswissenschaftler Stefan Hopmann, „viele Bildungseinrichtungen haben ihre Master quasi verriegelt“.

Mit zum Teil peniblen Zugangsbestimmungen, die selbst bei ähnlichen Fächern den Wechsel erschweren. Auch dass sich der Austausch zwischen Bildungssektoren – von der Uni auf die FH und umgekehrt – durch die Einführung von Bachelor und Master erhöht habe, könne noch nicht festgestellt werden. Dafür sei zu wenig Zeit vergangen, sagt Werner Jungwirth, Präsident der österreichischen Fachhochschulkonferenz. „Uni-Studenten sind bei uns aber herzlich willkommen“, fügt er hinzu.

Mehr Bewerber als Plätze

Gerade Masterstudienplätze an FH sind gefragt. Das Angebot sei allerdings beschränkt: „Aktuell kommen auf jeden Platz durchschnittlich drei bis vier Bewerber. Besonders begehrt sind die Bereiche Gesundheit und Soziales.“

Laut Jungwirth besuchen derzeit über zwei Drittel der FH-Studenten einen Masterstudiengang an derselben Fachhochschule, an der sie den Bachelor absolviert haben. Von der FH an die Uni würden rund 15 Prozent wechseln. In die Gegenrichtung sind es weniger.

Wenig Bewegung

„Der Großteil begnügt sich nicht mit einem Bachelor und möchte weiterstudieren“ – diese Tendenz nimmt der Studierendenanwalt Josef Leidenfrost in seiner täglichen Arbeit wahr. Als eine Art Ombudsmann vermittelt Leidenfrost zwischen FH, Universitäten und Studierenden. „In Österreich hat jeder prinzipiell die Chance, Bachelor und Master zu absolvieren. Bei hoher Nachfrage kommt es aber natürlich zu Engpässen.“ Soll heißen: Nicht jeder bekommt das Masterstudium, das er will. Nadelöhre auf dem Bildungsweg nach dem Bachelorstudium sind schon in den Fächern wie Medizin oder Psychologie bekannt.

Wer für die einzelnen Masterprogramme zugelassen wird, bestimmen die Uni-Senate und Studiengangsleiter selbst. Die tatsächlichen Wanderbewegungen kennt man aber noch nicht im Detail, dafür laufen die meisten Masterprogramme noch nicht lang genug. Auch an der TU Wien wird abgewartet, bis sich „Musterfälle“ beurteilen lassen, zum Beispiel für die begehrten Informatikmaster.

Fortsetzung folgt ... nicht?

Zurzeit ist der Übertritt vom FH- Bachelor in die Masterstudiengänge Informatik an der TU noch restriktiv geregelt. Denn bis zu drei Gutachten müssen für die Anerkennung der Bachelorarbeit eingeholt werden.

Der Master wird ohnehin – trotz aller aktueller Tendenzen – nicht der Regelabschluss an Österreichs Hochschulen bleiben, ist Hopmann überzeugt: „In gut zehn Jahren kann sich der Bachelor am Arbeitsmarkt durchgesetzt haben, alles andere wäre eine Überraschung.“ Die Erfahrungen aus angelsächsischen Ländern zeigen aber: Hat sich der Arbeitsmarkt erst an die Bachelors gewöhnt, fällt dem Master eine neue Funktion zu, vielleicht die der zielgerichteten hoch spezialisierten und vor allem berufsbegleitenden Weiterbildung.

Schon in der Bologna-Erklärung wurde ein etwa 20-prozentiger Anteil von Masterstudierenden an der Gesamtzahl angepeilt. Die Mehrheit, so die Prognosen, werde sich also in Zukunft mit dem Bachelor zufriedengeben müssen.

Und viele haben auch gar nichts dagegen. „Die meisten Studenten begrüßen einen geregelten Verlauf des Studiums, vor allem jene aus bildungsfernen Schichten“, ergänzt Hopmann.

Grüß Gott, Herr Bachelor

Anders sieht es Georg M. (Name der Redaktion bekannt), der sich in der Bewegung „Unsere Uni“ engagiert. „Das ist die ärgste Form der Zugangsbeschränkung. Wenn der Großteil von uns als Bachelor abschließt, werden viele um zwei Fünftel ihres Studiums gebracht.“

Er kämpft für das Auslaufmodell Diplomstudium: den freien, selbstbestimmten und offenen Zugang zu akademischer Bildung. „Wir lehnen ab, dass die Hochschulen Master beschränken und am Ende so verpacken, dass man dafür bezahlen muss.“

Der Master könnte zum exklusiven Weiterbildungsprogramm für Interessierte werden, ist Hopmann überzeugt: „Das wird passieren. Österreich wird den kostenlosen Zugang zu Masterprogrammen nicht aufrechterhalten können.“

Die mögliche Konsequenz: Mehr Menschen werden nur den Bachelor im Namen führen – und die Verwender von Grußformeln vor völlig neue Herausforderungen stellen.

(c) Die Presse / JV
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Denn es gilt auch zu bedenken, dass die neuen Titel immer nach dem Namen angeführt werden – und in ihrer Wichtigkeit damit hinter der Person zu stehen kommen. Ob sich Österreich auch mit diesem Wertewandel abfinden kann, wird erst die Zukunft weisen.



("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2010)

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