Bisamberg: Ende eines Stücks Rundfunkgeschichte

Sprengung: Ende eines Stücks Rundfunkgeschichte
Sprengung: Ende eines Stücks Rundfunkgeschichte(c) APA (Herbert Pfarrhofer)
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Video Österreichs höchstes Bauwerk, der Sendemast am Wiener Bisamberg, fiel am Mittwoch um Punkt 15 Uhr bei Volksfeststimmung. Ein Anrainer wollte sein Haus nicht verlassen.

Wien. Österreich höchstes Bauwerk wurde am Mittwoch planmäßig gesprengt: Der 265 Meter hohe Sendemast Nord auf dem Bisamberg an der Grenze zwischen Wien und Niederösterreich knickte um 15 Uhr nach mehreren Detonationen zu Boden. Der zweite Mast, 120 Meter hoch, war schon gegen 12.45 Uhr gefallen.

Attraktion des Tages war aber zweifellos die Sprengung des großen Sendemasten. Schon vor 14 Uhr ziehen hunderte Schaulustige bei sonnigem Wetter von Langenzersdorf auf den Bisamberg. Viele mit Wanderausrüstung samt voll bepacktem Rucksack, andere mit Kinderwagen und Hund. Auch Mountainbiker quälen sich durch die enge, stark verparkte Straße auf den Berg.

„Das wird ihrem Hunderl aber gar net g'fallen“, meint ein schon beim Anstieg mit Ohrenstöpsel bestückter älterer Herr zu einer Dame mit Dackel. „Mein Bärli is' das doch gewohnt. Dem macht net amal Silvester was aus“, antwortet die Hundebesitzerin. Sie ist wiederum mit einem Feldstecher ausgerüstet.

Das Video der Sprengung

Ein Ort verliert sein Wahrzeichen

In den eingegrenzten und von Securitys bewachten Zuschauerzonen wimmelt es von Kameras und Stativen. Reporter versuchen verzweifelt Anrainer ausfindig zu machen, um ihnen „letzte Worte“ zu den beiden Masten zu entlocken. Aber auch zahlreiche Bewohner aus dem Ort beobachten die Sprengung. „Unsere Gemeinde verliert ihr Wahrzeichen“, meint ein Langenzersdorfer nachdenklich. In einem Zelt werden Getränke ausgeschenkt, zwei Damen haben es sich bereits in ihren Campingstühlen gemütlich gemacht und eine Thermosflasche ausgepackt.

„Noch fünf Minuten! Hoffentlich sind sie dieses Mal pünktlich“, ereifert sich ein Zuseher, der schon seit dem Vormittag ausharrt. Zu Mittag gab es eine Verzögerung: Ein Bewohner in der Sperrzone hatte sich plötzlich geweigert, sein Haus zu verlassen. Er wollte Geld sammeln, um die Masten doch noch zu erhalten. Die Polizei musste ihn schließlich dazu „überreden“, aus der Gefahrenzone zu gehen. Nach einigen Verhandlungen stimmte er zu und ging freiwillig. Er verzögerte aber die Sprengung von Sendemast Süd um knapp 45 Minuten.

Aber am Nachmittag läuft dann alles nach Plan von Sprengmeister Roman Günther (32): Pünktlich um 15 Uhr sind die Detonationen der vier Sprengladungen zu hören. Augenblicke später fällt der 80 Tonnen schwere Mast innerhalb weniger Sekunden in sich zusammen. Für die Sprengung haben 15 Experten rund zwei Monate lang Vorarbeit geleistet.

Die Masse applaudiert. „Wahnsinn, unter meinen Füßen hat's so richtig vibriert“, sagt ein Bub, der mit seinem Handy mitgefilmt hat. Sein Freund schüttelt darüber nur verwundert den Kopf.

Zu sehen gibt es jetzt nichts mehr. Die Teile des gesprengten Bauwerks liegen nicht in Sichtweite der Zuseher. „Einfach perfekt“, freut sich die sprengbegeisterte Rosi Fischer. Die Wienerin meint aber nicht das lehrbuchmäßige Zusammensinken des großen Mastes sondern ihren Aussichtsplatz. „Ich war schon gestern da und hab' geschaut, wo ich am besten sehe“, schildert sie der „Presse“. Schon wenige Minuten später wälzen sich die Menschenmassen zurück in Richtung Langenzersdorf.

Sendegebäude bleibt erhalten

Für die Abbruchfirma beginnt jetzt die Arbeit an den Überbleibseln österreichischer Rundfunkgeschichte. Die Reste der beiden Masten sollen wiederverwertet werden. Das denkmalgeschützte Sendegebäude mit dem historisch wertvollen Sendesaal aus den 1950er-Jahren wird für die Öffentlichkeit erhalten. Die Sendeanlage war seit dem Jahr 2008 nicht mehr in Betrieb. Was hingegen mit dem 25 Hektar großen Gesamtareal, das sich im Besitz der Stadt Wien und des ORF befindet, geschieht, ist allerdings noch offen.

Seit Mittwoch-Nachmittag ist der Donauturm in Wien (252 Meter hoch) nun Österreichs höchstes Bauwerk.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25. Februar 2010)

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