Allfällige Änderungen beim Kündigungsschutz müssten aber für Beamte im öffentlichen Dienst gleich gelten, sagt die Ministerin. Es dürfe schlussendlich keine Beamten "erster und zweiter Klasse" geben.
Wien (jaz). In der Diskussion um das Pensionsantrittsalter der ÖBB-Beamten greift die Regierung ein heißes Eisen an – die Pragmatisierung. Staatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP) hatte zuletzt gefordert, den Kündigungsschutz bei der Bahn zu lockern, damit überzählige Mitarbeiter nicht mehr in die Frühpension geschickt werden. Die zuständige Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) meinte am Mittwoch am Rande einer Pressekonferenz dazu: „Ich kenne keinen konkreten Gesetzesvorschlag.“ Sollte dieser kommen, könne man darüber reden.
„Allerdings müsste das dann für alle Beamten im öffentlichen Dienst gelten“, spielt Bures den Ball zurück. Es dürfe schlussendlich keine Beamten „erster und zweiter Klasse“ geben. Im öffentlichen Dienst wurden entsprechende Überlegungen aber vom mächtigen Beamten-Gewerkschafter Fritz Neugebauer (ÖVP) bislang stets erfolgreich abgelehnt.
Grundsätzlich ist die Pragmatisierung für Bures ein „Auslaufmodell“. Bei den ÖBB ist sie für neue Mitarbeiter auch schon seit Jahren abgeschafft. Eingriffe in bestehende Verträge müssten – hinsichtlich des „Vertrauensschutzes“ – jedoch auch vor dem Verfassungsgerichtshof halten.
Keine „Garantie“ für Rechte
Es gebe keine „verfassungsrechtliche Garantie für wohlerworbene Rechte“, meint dazu Verfassungsrechtsprofessor Bernd-Christian Funk zur „Presse“. Die gegenwärtige Situation mit betriebsbedingten Frühpensionierungen sei auch „nicht befriedigend“. Dennoch sieht er einen Eingriff in bestehende Verträge als „äußerst bedenklich“ an. Man könne aus Gründen der „Verhältnismäßigkeit“ nur bei jenen Eisenbahnern eingreifen, die noch eine „lange Lebensarbeitszeit“ vor sich haben.
Eine „Altersgrenze“, bei der für Jüngere die Pragmatisierung abgeschafft wird, sei möglich, sagt dazu die Verfassungsrechtlerin Gabriele Kucsko-Stadlmayer. Sie sich jedoch nicht festlegen, wo diese liegen könnte. Bislang gebe es auch noch keine Judikatur zu dieser konkreten Frage, da die Politik das Thema bislang „umschifft“ hat. Mit dem Verfassungsrecht konform wäre aber das Angebot, die Pragmatisierung freiwillig gegen mehr Gehalt zu tauschen.
Möglich wäre es laut Funk außerdem, für ÖBB-Beamte eine eigene Regelung zu schaffen. Das Bahn-Dienstrecht sei zwar analog zu jenem im öffentlichen Dienst. Dies bedeute jedoch nicht, dass nur eine einheitliche Änderung bei allen Beamten möglich sei.
Bures setzt indes aber vor allem auf ihre Vorgabe für die ÖBB-Führung, verstärkt durch interne Umschulungen die Frühpensionen zu verringern. In diesem Zusammenhang laufen zur Zeit auch Verhandlungen zwischen Management und Gewerkschaft über eine Lockerung des Versetzungsschutzes. Aufgrund des öffentlichen Drucks sei die Gewerkschaft zuletzt offener für Veränderungen, heißt es aus den ÖBB.
Studie über Infrastrukturausbau
Am Mittwoch präsentierte Bures eine Studie von IHS und Wifo, wonach die Investitionen in die Schieneninfrastruktur von 34 Mrd. Euro zwischen 1990 und 2020 beim Bau und über einen Betrieb von 30 Jahren eine Wertschöpfung von 72,5 Mrd. Euro generieren. Dadurch würden 27,5 Mrd. Euro an Steuern eingenommen – 80 Prozent der Investitionssumme.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2010)