CERN: Nächster Unfall eingebaut?

(c) AP (Martial Trezzini)
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Der Teilchenbeschleuniger LHC wird wieder angefahren – vorsichtshalber mit halber Kraft.

Die größte und komplizierteste Maschine der Welt, der Large Hadron Collider (LHC) am CERN in Genf, soll diese Woche wieder den Dienst antreten. Er hatte Winterpause, er braucht viel Strom. Zuvor pausierte er länger, und der Grund war weniger trivial. Am 19. September 2008, kurz nach dem erste Anfahren, gab es einen bösen Unfall: Durch eine mangelhafte Verbindung zweier supraleitender Kabel in einem der Magneten, die die Teilchen in dem 27-Kilometer-Ring beschleunigen, kam es zu Erwärmung, Kurzschluss und Explosion. Die riss die Kühlleitung auf und setzte sechs Tonnen Kühlflüssigkeit frei, Helium nahe absolut null, 1,9 bzw. 4,2 Kelvin. Dann kam „eine Art Dominoeffekt“, beschreibt Lucio Rossi, bei CERN verantwortlich für die LHC-Magneten: 53 Magneten – von insgesamt 10.000 – wurden beschädigt und/oder aus ihrer Verankerung gerissen.

Aber Rossi bilanziert nicht nur, er diagnostiziert als Ursache des Unfalls auch „Schwächen im Design und der Herstellung“. Die in der Herstellung sind erklärbar – zwei Kabel waren nicht gut verlötet, zwei von tausenden –, aber die im Design machten die Lappalie zur Katastrophe: Die Sicherheitsvorrichtung, die bei bzw. vor einem Kurzschluss in den supraleitenden Kabeln den Strom hätte aufnehmen sollen, war fehlkonstruiert. Und, schlimmer: „Es gibt ähnliche, subtilere Defekte, die nun evident sind und deshalb beunruhigen, weil sie überall in der Maschine sind (Superconducting Science and Technology, 22. 2.).

Mehr Pionen als erwartet

Rossi kommentiert die Designfehler launig: „In Italien sagen wir: ,Chi non fa, non sbalia‘“: Nur wer nichts tut, macht nichts falsch (Naturenews, 23.2.). Aber so einen Fehler wollen sie kein zweites Mal, deshalb wird der LHC im kommenden Jahr nur auf halber Kraft gefahren, mit 3,5 Tera-Elektronenvolt (TeV). Beim ersten Wiederanfahren im November blieb man bei einem TeV – und schoss damit Protonen ineinander –, man erlebte trotzdem eine Überraschung: Von zwei Teilchenarten (Pionen und Kaonen) entstanden mehr als erwartet (BBC, 9.2.).

Andere fürchten immer noch die ganz große Überraschung, die Produktion von schwarzen Löchern (die im Worst Case die ganze Erde verschlingen). Zwar hat CERN 2008 in einer Studie Entwarnung gegeben. Aber einer der Verfasser, John Ellis, soll nun gegenüber PhysicsWorld erklärt haben, das Ergebnis der Studie sei „im Voraus festgestanden“. jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2010)

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