Gütesiegel: „Jeder kann machen, was er will“

Verwirrung: „Austria“ heißt nicht, dass ein Produkt in Österreich produziert wurde. „Bauernhof-Garantie“, „Österreichische Herkunft“, „In steirischer Tradition“ haben bezüglich des Inhalts nichts zu bedeuten.

GRAZ.Es ist ein rechtsfreier Raum. Ende vergangenen Jahres ist das seit 1942 geltende heimische Gütezeichengesetz ausgelaufen. Ein neues Regelwerk gibt es noch nicht. „Jetzt kann jeder machen, was er will“, klagt Agrarmarkt Austria (AMA)-Sprecherin Hermine Hackl.

Eine Ausnahme bildet die AMA selbst, deren Qualitätskriterien in einem eigenen Gesetz geregelt sind. Daneben gibt es zahlreiche Zeichen, Abkürzungen, Marken und Siegel, die bei Konsumenten für Verwirrung sorgen können. „Das ist alles sehr kompliziert“, gibt Hackl zu. Entsprechend groß – aber nicht neu – ist die Aufregung, wenn etwas passiert.

Vor dem Käse sorgten vor zwei Jahren Dioxin-Warnungen bei „Speck aus Tirol“ für Wirbel. Der bestand aus irischem Schweinefleisch, das aus Deutschland kam. Auch bei Kürbiskernöl, das aus Exportware aus China oder Osteuropa nach „Originalrezept aus der Steiermark“ gepresst wird, gibt es regelmäßig Forderungen nach strengeren Kontrollen und Kennzeichnungen. Die gibt es mit eigenen Banderolen mit dem Zusatz „g.g.A.“ (geschützte geografische Angabe) aber ohnehin schon.

Allgemein für den Lebensmittelmarkt gilt das „AMA-Gütesiegel“ als Garant für Produkte, bei denen beispielsweise bei Fleisch nur Tiere verarbeitet werden, die in Österreich geboren, gemästet und geschlachtet worden sind (wobei das Futter nur zu 70 Prozent aus Österreich stammen muss). Bezüglich der Kriterien „sind wir Europameister und Vorbild“, sagt Hackl. So sehr, dass es als Exportgut bereits ein bayrisches und italienisches „AMA-Gütesiegel“ gibt.

Verschleierte Identität

Noch strengere Auflagen gelten beim „Bio“-Gütesiegel – wobei nur beim rot-weiß-roten Zeichen die Rohstoffe aus Österreich stammen (beim schwarz-weißen Pendant kommen sie aus dem EU-Raum).

Abseits davon wird es noch unübersichtlicher: So bedeutet die EU-Identitätskennzeichnung (für Österreich AT) nicht, dass das Produkt tatsächlich aus Österreich stammt, sondern nur, dass der letzte Verarbeitungsschritt hier passiert und das Produkt hygienisch produziert ist. Die bei Lebensmitteln ohnehin nicht verbreitete Kennzeichnung mit einem „A“ oder „Made in Austria“ verrät wiederum nur, dass mindestens 50 Prozent der Wertschöpfung in Österreich entstehen. Und Versprechen wie „Bauernhof-Garantie“ oder „Österreichische Herkunft“ sind keine Gütesiegel, sondern nur Markenbezeichnungen, mit denen der gute Ruf österreichischer Lebensmittel als Verkaufsargument ausgenützt wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2010)

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