Nach einem weiteren Todesfall durch Listerien stoppt der betroffene Käsehersteller die gesamte Produktion. Auswertungen zeigen: Mit weiteren Opfern muss gerechnet werden.
Wien/Hartberg. Die Unglücksserie um den bakterienverseuchten Käse aus der Steiermark ist noch nicht zu Ende: Mittwoch gab die Lebensmittelbehörde Ages bekannt, dass der mit Listerien belastete Quargel der Hartberger Firma Prolactal für den Tod von wenigstens einer weiteren Person verantwortlich ist. Das ist der inzwischen fünfte registrierte Todesfall in Österreich. In Deutschland sind bisher zwei Menschen nach dem Verzehr des Ende Jänner zurückgerufenen Käses verstorben.
Was die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit derzeit noch nicht dazu sagt: Die Entdeckung weiterer Todesfälle, die unmittelbar mit dem Konsum des betroffenen Käses zusammenhängen, ist sehr wahrscheinlich. Das zeigen die bisherigen Auswertungen der Untersuchungen. Medizinische Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Listeriose in zwölf bis 50Prozent aller Fälle tödlich endet. Im Fall jenes Bakterienstamms, der mit dem steirischen Quargel in Verbindung gebracht wird, lag die Sterblichkeitsrate bisher bei exakt 33Prozent, oder in Zahlen: Von zwölf Erkrankungen, die eindeutig auf Käse von Prolactal zurückgeführt werden konnten, endeten bisher vier tödlich.
Für 2010 jedoch sind den Behörden neun Erkrankungen der meldepflichtigen Infektion bekannt, die nachweislich von schadhaftem Quargel ausgelöst wurden. Tödlich ausgegangen ist offiziell aber erst eine.
Infektion wird leicht übersehen
Sowohl Betroffene als auch die Behörden stehen vor dem Problem, dass die Erkrankung oft erst bis zu zwei Monaten nach der eigentlichen Infektion ausbricht. Symptome wie Durchfall und Bauchschmerzen können auf eine Vielzahl anderer Erkrankungen hinweisen, weshalb die Diagnose erstens nur sehr schwer zu stellen ist und zweitens oft sehr spät erfolgt.
Nicht selten zu spät, weil nur ein frühzeitiger Einsatz spezieller Antibiotika das Sterberisiko deutlich senken kann. Die einzige wirklich sichere Diagnosemethode ist eine bakteriologische Untersuchung des Blutes.
Alle bisherigen Todesopfer waren Männer und zwischen 57 und 88 Jahre alt. Manche hatten Vorerkrankungen, alle hatten den tödlichen Käse – so wie auch die neun aktuell Erkrankten – noch vor der Warnung des Herstellers konsumiert.
Der hat als Reaktion auf den neuesten Todesfall Auslieferung und Produktion aller anderen am Standort Hartberg hergestellten Produkte gestoppt. Hintergrund dafür dürfte sein, dass betriebseigene und extern zugekaufte Experten bis heute die Quelle für die Bakterien nicht identifizieren konnten. Offenbar wurde den Verantwortlichen nun das Risiko zu groß, dass die gefährlichen Listerien auch über andere Milchprodukte verbreitet werden könnten. So werden im steirischen Werk unter anderem die Vorläuferstoffe für Speiseeis, Schokolade und Backwaren hergestellt. Prolactal produziert für seine Kunden aber auch sensible Babynahrung.
Probleme bekannt? Dementi
Unterdessen laufen vor Ort die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft Graz und dem steirischen Landeskriminalamt. Konkret gehen die Behörden dem Verdacht auf fahrlässige Gemeingefährdung mit Todesfolge nach. Der mögliche Strafrahmen erstreckt sich von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Haft.
Von Unternehmensseite war zu erfahren, dass den Ermittlern sämtliche Unterlagen zum Produktionsprozess übergeben worden seien. Darin enthalten seien auch alle in Labors untersuchten Käseproben. Die Austria Presse Agentur hatte vergangene Woche einen anonymen Informanten zitiert, der behauptete, Prolactal hätte schon länger von Listerienverunreinigungen gewusst, diese aber wissentlich vertuscht. Die nun übergebenen Unterlagen sollen diesen Vorwurf entkräften.
Betroffen von der Listerienverunreinigung sind bisher Produkte mit dem Namen „Hartberger Bauernquargel“, „Steirischer Quargel“ und „Fastenkäse“. In Österreich wurden damit Spar und Märkte der Rewe-Gruppe (Billa, Merkur, Penny) beliefert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2010)