Last für Brücken

(c) dpa/Oliver Berg
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54 - Die sogenannten Liebesschlösser wurden von einer netten Volksbeschäftigung zur Epidemie.

Bei der Überquerung des Salzburger Makartstegs kam mir der Lassie-Singers-Song „Die Pärchenlüge“ in den Sinn: „Pärchen stinken, Pärchen lügen, Pärchen winken und fahren nach Rügen“ – und zweifellos nach Salzburg. Auf dem Steg glitzerten Myriaden von „Liebesschlössern“ in allen Farben. Ich dachte unwillkürlich an die vielen Zeitpunkte, zu denen Pärchen die vielen Schlüssel in die Salzach schmissen, Umwelt schnurzegal, daheim sammeln sie brav Altpapier und Joghurtbecher. Wenn Lemminge Vorhängeschlösser kaufen könnten, würden sie nichts anderes tun! Ich will durchaus nichts gegen das Konzept der romantischen Zweierbeziehung einwenden.

Doch im hedonistischen Städtetourismus mutet die Anbringung eines „Liebesschlosses“ wie die Analogform zur digitalen, Instagram-konformen Selbstinszenierung an. Was als eherne Symbolik die Ewigkeit anruft, versinnbildlicht in Wahrheit maximale Unverbindlichkeit. Für 3,99 Euro kann ich mich ja jede Woche, in brückenreichen Städten täglich, an jemand anderen binden – wenn ich geschmacklos genug bin, sogar mit roten, herzförmigen Schlössern. Seit in der Stadt der Liebe am 8. Juni 2014 ein Teil des Brückengeländers der Pont des Arts unter dem Liebesgewicht zusammenbrach, empfand man die „cadenas“ zunehmend weniger als Touristenattraktion denn als Ausdruck von städtischem Vandalismus. Von der einsturzgefährdeten Brücke wurde in der Folge tonnenweise Eisen abgeschnitten, den Zaun ersetzten Scheiben. Paris appellierte auf Tafeln mit Parolen wie „Erklärt eure Liebe woanders“ oder „Unsere Brücken halten eurer Liebe nicht stand“ an die Gefühls-Exhibitionisten. Mit Kneifzangen wird seitdem nachgeholfen, behutsam, die haben ja einen Ruf zu verlieren. Venedig unterbindet das Amore-Klischee per Verbot – und auch auf der Brooklyn Bridge in New York drohen Schilder mit Strafen für das Anbringen der Love-Lock-Billigtradition.

Der Brauch soll übrigens aus dem serbischen Städtchen Vrnjačka Banja stammen, wo eine Liebesgeschichte im Ersten Weltkrieg – ja, scheiterte. Der Song der Lassie Singers endet so: „Ihr denkt, ihr seid im Märchen, und seid nur blöde Pärchen, los, stürzt euch ins Verderben, denn Pärchen müssen sterben.“

Tipp

Neu: Martin Amanshauser, „Die Amerikafalle oder: Wie ich lernte, die Weltmacht zu lieben“, Kremayr & Scheriau 2018.

www.amanshauser.at

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