Kanzler Kurz kritisiert Köhlmeier

„Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak mit Sebastian Kurz
„Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak mit Sebastian KurzDaniel Novotny
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Sebastian Kurz diskutierte mit „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak über die Regierung, Antisemitismus und Michael Ludwig.

Wien. Rund ein Jahr ist es nun her, dass Sebastian Kurz die ÖVP übernahm. Oder besser gesagt: Dass Reinhold Mitterlehner zurücktrat. „Für mich überraschend“, wie Kurz Dienstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung mit „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak im Wiener Ringturm beteuerte.

Nun ist Kurz Kanzler und in einer Koalition mit der FPÖ – was nach wie vor nicht ohne Kritik hingenommen wird. „Wer wissen will, was wir tun, der soll das Regierungsprogramm lesen“, sagte Kurz. „Was dort nicht drinsteht, werden wir auch nicht machen. Etwa Spitäler schließen, wenn wir die Sozialversicherungen zusammenlegen, wie das manche behaupten“, sagt Kurz.

Fortschritte bei der FPÖ?

Auch sein Lieblingsthema, die Schließung der Westbalkanroute, wurde wieder angesprochen. Und zwar im Zusammenhang mit der Rede des Schriftstellers Michael Köhlmeier bei einer Gedenkveranstaltung vergangener Woche. Er sagte: „Sie wissen, es hat auch damals Menschen gegeben auf der ganzen Welt, die sich damit brüsteten, Fluchtrouten geschlossen zu haben.“ Kurz fasste dies als Vergleich zwischen der Schließung der Balkanroute und dem Nationalsozialismus auf. „Ich halte es für absolut falsch und auch inakzeptabel, die Schließung der Westbalkanroute mit den Gräuel des Nationalsozialismus zu vergleichen.“ Denn erstere sei absolut rechtskonform abgelaufen.

Angesprochen auf das Thema Antisemitismus ortete Kurz bei der FPÖ Besserungsbemühungen. Als Positivbeispiele führte er die von der FPÖ eingesetzte Historikerkommission an und Straches Aussagen am Akademikerball. Dieser sagte dort, dass Antisemiten keinen Platz hätten. Was der Kanzler nicht erwähnte: In dieser jungen Regierungsperiode gab es bereits mehrere Anlässe, wo der FPÖ Antisemitismus vorgeworfen wurde und Kurz sich distanzierte. Da wären etwa die Liederbuchaffäre um Udo Landbauer, Kickls „Konzentriert“-Sager im Zusammenhang mit Flüchtlingen – und zuletzt die Aussagen des FPÖ-Klubobmanns Johann Gudenus zu George Soros.

Als eines der nächsten großen Regierungsprojekte nannt er einmal mehr die Mindestsicherung. Ein Konzept soll bis Sommer vorliegen – und vor allem vom Bürgermeisterwechsel in Wien erhofft sich Kurz einiges. Denn bisher war es vor allem das rot-grüne Wien, das sich gegen Kürzungspläne für Zuwanderer wehrte. „Ich rechne damit, dass der neue Bürgermeister Michael einen pragmatischeren Zugang hat. Denn die Hälfte der Mindestsicherungsbezieher sind in Wien, viele davon Migranten“, sagt er. Sollten die Länder nicht mitspielen, wolle er sein Konzept trotzdem umsetzen. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2018)

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