„Es geht um Krieg und Frieden“

Der Golan ist heiß umkämpft. Die israelischen Grenzbataillone an der syrischen Grenze sind nach den Angriffen der iranischen Revolutionsgarden in Alarmzustand versetzt.
Der Golan ist heiß umkämpft. Die israelischen Grenzbataillone an der syrischen Grenze sind nach den Angriffen der iranischen Revolutionsgarden in Alarmzustand versetzt.(c) REUTERS (RONEN ZVULUN)
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Die Eskalation zwischen Israel und Iran rief weltweit Besorgnis hervor. Nach den Angriffen der iranischen Revolutionsgarden und israelischen Vergeltungsschlägen hagelte es Aufrufe zur Deeskalation.

Jerusalem/Wien. Für Freunde Israels soll es ein Festtag werden. Der 14. Mai markiert nach gregorianischem Kalender das 70-Jahr-Jubiläum des Staates Israel, der Proklamation der Unabhängigkeit durch Staatsgründer David Ben-Gurion. Doch die Zeichen in Israel stehen auf Sturm. Nicht nur werden die Palästinenser die „Nakba“ begehen, die „Katastrophe“ der Vertreibung ihres Volks, zu der sie vor dem Betonwall am Gazastreifen zu Tausenden auf die Barrikaden gehen wollen. Zugleich erhöht die symbolische Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem die Spannungen. Und überdies hat der Konflikt mit dem Iran im Schatten des Syrien-Kriegs nach den Raketenangriffen auf den von Israel kontrollierten Golan und den Vergeltungsschlägen Israels nun einen neuen Höhepunkt erreicht.

Nach der Aufkündigung des Atomdeals mit dem Iran durch die USA und angesichts der jüngsten Eskalation in Nahost richtete Angela Merkel einen geradezu dramatischen Appell an die Akteure in der Region. „Es geht wahrlich um Krieg und Frieden“, sagte die deutsche Kanzlerin bei der Verleihung des Karlspreises an Emmanuel Macron in Aachen. Frankreichs Präsident stand ihr nur wenig nach. Europas Aufgabe sei es, Frieden und Stabilität auch im Nahen Osten zu schaffen. Er kritisierte das Platzen des Iran-Deals durch die USA. Europa dürfe nicht der „Politik des Schlechten und Schlimmeren“ folgen.

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Zugleich forderte er Israel und Iran zur Deeskalation auf, nachdem sich der Konflikt im Zuge des Syrien-Kriegs zuletzt immer mehr aufgeschaukelt hatte und nicht mehr nur auf einen Krieg der Worte zwischen Benjamin Netanjahu und Ayatollah Ali Khamenei, Irans obersten Führer, reduziert blieb. Die Angst vor einer Konfrontation ist vor allem nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomdeal allseits gewachsen.
Die Regierung in Jerusalem demonstriert indes einstweilen Gelassenheit.

Mit dem Angriff auf Dutzende Ziele der iranischen Revolutionsgarden in Syrien würde Israel das Kapitel gerne wieder ad acta legen. Die Botschaft sei hoffentlich angekommen, sagte Verteidigungsminister Avigdor Lieberman. Durchaus entspannt verlief der Alltag auf den annektierten Golanhöhen weiter. Die Schließung von Kindergärten und Schulen sei noch nicht einmal erwogen worden, verlautete aus Sicherheitskreisen – und dies, obwohl die israelische Luftwaffe in der Nacht auf Donnerstag die schwersten Angriffe seit dem Jom-Kippur-Krieg 1973 auf Ziele in Syrien geflogen hatte.

„Bei ihnen wird es stürmen“

Zuvor hatten iranische Revolutionsgarden rund 20 Raketen auf mehrere israelische Militärstützpunkte auf dem Golan abgefeuert, von denen die meisten von den Abwehrsystemen abgefangen werden konnten. Für Israels Regierungschef Netanjahu war damit eine „rote Linie“ überschritten. Während es auf israelischer Seite weder zu Verletzten noch zu Sachschaden kam, berichtete die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte von 23 Todesopfern.

„Wenn es bei uns tröpfelt, wird es bei ihnen (den Iranern) stürmen.“ So martialisch zog Lieberman Bilanz über die Angriffsnacht in der syrischen Provinz Quneitra. Nahezu die gesamte iranische Infrastruktur in Syrien sei getroffen worden, sagte der Verteidigungsminister. Israel werde nicht zulassen, dass Teheran aus Syrien eine Militärbasis mache. Überraschende Rückendeckung erhielt Israel übrigens aus Bahrain. Israel habe das Recht, sich zu verteidigen, solange der Iran die Region destabilisiert, hieß es.

Israel hielt sich lange weitgehend aus dem Bürgerkrieg in Syrien heraus. Es beschränkte sich auf das Bombardement von Rüstungslieferungen, die an die proiranische Hisbollah im Libanon gehen sollte. Die direkte Konfrontation zwischen israelischen und iranischen Truppen begann mit einer Drohne, die offenbar von einem iranischen Luftwaffenstützpunkt in Syrien in Richtung Israel aufstieg, aber noch abgefangen werden konnte.

Die Raketenangriffe der al-Quds-Brigaden der iranischen Revolutionsgarden waren die ersten iranischen Angriffe auf israelische Militärstützpunkte. Dass die Verschärfung der US-Sanktionen nun Führer der iranischen Elitetruppe und ihre Firmen betrifft, ist kein Zufall.
Juval Steinitz, Israels Energie- und Infrastrukturminister, hat Syriens Diktator Assad kürzlich direkt bedroht. Wer sein Land für Militärbasen eines Feindes von Israel zur Verfügung stelle, dürfe sich nicht mehr sicher fühlen. Steinitz zielte mit seiner Warnung vermutlich auch auf Moskau.

Israel hofft nach wie vor auf eine Intervention des russischen Präsidenten Wladimir Putin, um eine dauerhafte Stationierung der Revolutionsgarden in Syrien zu unterbinden. Syriens Zukunft war wohl auch zentrales Thema der Gespräche zwischen Putin und Netanjahu, der zur traditionellen Militärparade in dieser Woche neuerlich nach Moskau reiste. In den vergangenen beiden Jahren war Israels Premier ungewöhnlich oft mit Putin zusammengekommen, um sich abzustimmen und einander in Syrien nicht ins Gehege zu kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2018)

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