Eine „Wiener Melange“ für die SPÖ

 (v.l.) Integrationsstadtrat Jürgen Czernohorszky, Peter Hanke (Finanzen und Wirtschaft), Veronica Kaup-Hasler (Kultur), Michael Ludwig, Kathrin Gaal (Wohnen), Peter Hacker (Gesundheit und Soziales) und Umweltstadträtin Ulli Sima
(v.l.) Integrationsstadtrat Jürgen Czernohorszky, Peter Hanke (Finanzen und Wirtschaft), Veronica Kaup-Hasler (Kultur), Michael Ludwig, Kathrin Gaal (Wohnen), Peter Hacker (Gesundheit und Soziales) und Umweltstadträtin Ulli SimaAPA/GEORG HOCHMUTH
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Eine Quereinsteigerin, zwei Experten, ein Posten für die bevölkerungsreichen Bezirke, langjährige Erfahrung: Michael Ludwig setzt auf Experten statt Ideologie.

Er habe sich eine „Wiener Melange“ aus langjähriger Erfahrung und neuen Gesichtern gesucht. Mit diesen Worten präsentierte der designierte Wiener Bürgermeister, Michael Ludwig, am Montag sein neues Regierungsteam, in das es mit Ulli Sima (Umwelt/Stadtwerke) und Jürgen Czernhorszky (Bildung/Integration) nur zwei Stadträte aus der Ära von Michael Häupl geschafft haben.

Bis zur offiziellen Angelobung am 24. Mai werden die neuen Regierungsmitglieder keinen (inhaltlichen) Kommentar zu ihren Plänen abgeben, wurde bei der Präsentation erklärt. Dort gaben die Neo-Stadträte daher nur ein kurzes, allgemeines Statement ab. Doch auch ohne Details kristallisiert sich heraus, wohin die Reise geht. Nämlich in Richtung eines Kabinetts mit Expertinnen und Experten, in Richtung Pragmatismus und Sachpolitik und nicht wie früher in Richtung Ideologie:

Die Quereinsteigerin: Veronica Kaup-Hasler

Die Kulturmanagerin ist die größte Überraschung im Team von Michael Ludwig – wurde zuletzt doch die Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, Hannah Lessing, als neue Kulturstadträtin gehandelt.Kaup-Hasler leitete von 2006 bis 2017 das Festival Steirischer Herbst in Graz und besitzt umfangreiche fachliche Erfahrung im Kulturbereich. Sie ist also nicht nur Quereinsteigerin, sondern auch eine Expertin, die bisher politisch nicht wirklich exponiert war.

Veronica Kaup-Hasler (Archivbild) als Kulturstadträtin ist die größte Überraschung in Ludwigs Team
Veronica Kaup-Hasler (Archivbild) als Kulturstadträtin ist die größte Überraschung in Ludwigs TeamMirjam Reither

Bei den Wiener Festwochen war sie Dramaturgin und enge künstlerische Mitarbeiterin des Intendanten Luc Bondy. Beiträge lieferte sie auch zu Konzeption und Durchführung des Regiewettbewerbs der Festwochen, in der Entwicklung der Container-Aktion von Christoph Schlingensief und in der Recherche im Bereich des osteuropäischen Theaters. Am Burgtheater war sie als Dramaturgie-Mitarbeiterin ebenso tätig wie am Theater Basel. In einem knappen Statement dankte Kaup-Hasler dem designierten Bürgermeister „für den Mut, jemanden zu nehmen, der ein seltsames Wesen ist“. Darauf Ludwig: „Gerade seltsame Wesen sollten in der Sozialdemokratie Platz haben.“

Nebenbei: Kaup-Hasler erreichte bei der „Presse“-Gala zur Wahl der Österreicher des Jahres (dort stimmen jedes Jahr eine hochkarätige Jury sowie Leserinnen und Leser über diese Auszeichnung ab) im Bereich „Kulturerbe“ sogar eine Nominierung zur „Österreicherin des Jahres“.

Der Manager: Peter Hacker

Wann immer personelle Änderungen in der Wiener Stadtregierung kolportiert wurden, fiel sein Name. Nun steigt der Chef des Fonds Soziales Wien schlussendlich doch noch zum Wiener Gesundheits-, Sozial- und Sportstadtrat auf. Das ist deshalb bemerkenswert, weil es ein offenes Geheimnis ist, dass sich Hacker immer gegen eine Beförderung in die Spitzenpolitik wehrte. Schließlich hatte er in der Vergangenheit immer wieder die Möglichkeit, lehnte aber entschieden ab – mit der Begründung: Er sei Manager, kein Politiker.Dass er nun doch noch Stadtrat wird, ist für Hacker selbst überraschend, wie er offen gestand: „Es ist ein bisschen überraschend, dass ich hier stehe, auch für mich überraschend“, erklärte er bei seiner Präsentation. Ludwig habe ihn schließlich überzeugt, den Schritt „vom Balkon der guten Ratschläge in die erste Reihe“ zu machen. Offenbar hat nicht zuletzt die starke Ausrichtung der Regierung Ludwig als Expertenkabinett den Experten umstimmen können.

Archivbild: Peter Hacker
Archivbild: Peter HackerAPA/GEORG HOCHMUTH

Wobei Hacker als FSW-Chef in einigen Bereichen eine konträre Position zu jener von Michael Ludwig eingenommen hatte. Was der künftige Bürgermeister so kommentierte: In Sachen eines etwaigen Wien-Bonus bei der Mindestsicherung (Bevorzugung der in Wien lebenden Bevölkerung gegenüber neu Zuziehenden, Anm.) werde es wohl unterschiedliche Ansichten zwischen ihm und Hacker geben. Das werde man ausdiskutieren, so Ludwig. Launiger Nachsatz: „Ich gehe davon aus, dass im Zweifelsfall der Wiener Bürgermeister entscheidet.“

Hacker gilt als durchsetzungsstarker Manager, der als FSW-Chef das Sozialressort streng, oft auch äußerst hart, aber immer effizient geführt hat, ist im Rathaus zu hören. Dabei wird darauf verwiesen, dass das Sozialressort (trotz der schwierigen Materie der Mindestsicherung) unter Hacker funktioniere, während das Gesundheitsressort mit dem Spitälerkonzern KAV kollabiert. Wobei der Wiener bereits seit 1992 in diesem Bereich tätig ist. Damals wurde er Drogenkoordinator der Stadt, 2001 dann FSW-Chef. Im Zuge der Flüchtlingskrise wurde er außerdem im Juli 2015 zum Koordinator für Flüchtlingswesen bestellt.
Nebenbei: Hacker hat zwar unter der damaligen Stadträtin Sonja Wehsely gearbeitet, die den linken SPÖ-Flügel anführte, trotzdem gilt er als Realist und Pragmatiker.

Der Wirtschaftsexperte: Peter Hanke

Der nächste Experte im Team von Ludwig. Der Chef der Wien Holding (dort sind die wirtschaftlichen Firmenbeteiligungen der Stadt gebündelt) übernimmt das Finanz- und Wirtschaftsressort. Für ihn gilt Ähnliches wie für Hacker – auch wenn er (im Gegensatz zu Hacker) im Vorfeld erstmals als Stadtrat gehandelt wurde: Er ist Experte, Pragmatiker, kein klassischer Politiker und kein Anhänger der Eigen-PR. Als Holding-Chef hielt er sich jedenfalls peinlich genau aus der Tagespolitik heraus, politische oder polarisierende Statements von ihm sind nicht überliefert.

Archivbild: Peter Hanke.
Archivbild: Peter Hanke.Clemens Fabry / Die Presse

Bei seiner Präsentation erklärte Hanke auf Nachfrage zu dem hohen Schuldenstand der Stadt nur knapp: Es müsse natürlich gespart werden, „aber nicht bei den Menschen“. Details will der Manager erst nach seiner Angelobung im Gemeinderat bekannt geben.

Nebenbei: Ludwig lobte Hacker als auch Hanke als „zwei Persönlichkeiten, die auch in schwierigen Phasen kühlen Kopf bewahren“. Das werden beide benötigen, haben sie doch die schwierigsten Ressorts in der Stadt Wien bekommen.

Das Comeback von Favoriten: Kathrin Gaal

Die Frage war nicht, ob die Parteichefin der mächtigen SPÖ-Favoriten in die Stadtregierung aufsteigt, sondern in welches Ressort. Zuletzt wurden die Signale immer deutlicher, dass sie das Wohnbauressort von Michael Ludwig übernehmen wird. Am Montag wurde der Aufstieg zur neuen Wiener Wohnbaustadträtin offiziell. Und als Mitglied im Wohnausschuss kennt sie das Metier bereits.

Mit Gaal, die als Pragmatikerin gilt, feiert Favoriten ein Comeback in der Stadtregierung – nachdem der Bezirk von Michael Häupl jahrzehntelang bei Stadtratsposten ignoriert worden war, trotz seiner Bedeutung für die SPÖ Wien (Stichwort: Mitgliederzahl). Dem Vernehmen nach hatte es Häupl dem zehnten Bezirk nie verziehen, dass sich dieser einst gegen ihn als Bürgermeister ausgesprochen und einen anderen Kandidaten bevorzugt hatte.

Archivbild: Kathrin Gaal
Archivbild: Kathrin GaalSPÖ Wien

Mit Favoriten ist auch der Flügel rund um Ex-Bundeskanzler Werner Faymann in der Stadtregierung vertreten. Immerhin hatte dieser Flügel, der in den bevölkerungsreichen Flächenbezirken wie Favoriten, Donaustadt und auch Liesing und Simmering verankert ist, Michael Ludwig massiv unterstützt.

Der kulturelle Präsident

Ernst Woller. Von Kulturstadtrat über SPÖ-Klubchef bis zum Landtagspräsidenten: Der 64-Jährige wurde für einige Positionen unter Michael Ludwig gehandelt, gilt Woller doch als ausgewiesener Kulturexperte, stark international orientiert, aber auch als erfahrenster und längstdienender Gemeinderat mit Verbindungen in beide SPÖ-Lager – obwohl er sich bereits sehr früh für Ludwig deklariert hatte.
Nun wird Woller als Nachfolger des Häupl-Vertrauten Harry Kopietz neuer Wiener Landtagspräsident, womit Woller die formell zweithöchste Position innerhalb der Stadt Wien einnimmt. Und Wien damit international (in Vertretung von Ludwig) oft repräsentieren wird.

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