Pröll: "Die Mindestsicherung darf keine Hängematte werden"

Proell Mindestsicherung darf keine
Proell Mindestsicherung darf keine(c) Clemens Fabry
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Finanzminister Josef Pröll spricht sich im "Presse"-Interview für einen "Druck in Richtung Arbeitswilligkeit und Zumutbarkeit" aus. Wie Westerwelle will auch er über Leistung statt Verteilung reden.

„Die Presse“: FDP-Chef Westerwelle meinte: Wer arbeitet, muss mehr haben als der, der nicht arbeitet. Steckt diese Ideologie auch hinter der ÖVP-Idee vom Sozialtransferkonto?

Josef Pröll: Ich würde den Satz so nicht prägen, aber auch für mich ist klar, dass die Leistungsträger bei der Entlohnung einen Mehrwert haben müssen. Mit dem Transferkonto könnten wir das ausloten.



Dahinter steht ja der Verdacht, dass die Summe der Sozialleistungen höher sein könnte als so manches Arbeitseinkommen.

Pröll: Den Verdacht gibt's. Der Bund kennt seine Zahlungen genau, aber Länder und Gemeinden haben keinen einheitlichen Koordinierungspunkt.



Die ÖVP zeigt da ihr ideologisches Profil, die SPÖ ihres mit der Bankensteuer. Warum ist die ÖVP bei diesem Thema umgefallen?

Pröll: Die Banken waren im Bereich spekulativer Produkte zu einem Solidarbeitrag bereit. Ich will 500 Millionen, wie von Kanzler Faymann genannt, für das Budget haben.



Bei der Tobin-Tax hat es immer geheißen, dass das national nicht geht. Kann Ihr Modell denn in Österreich allein funktionieren?

Pröll: Es geht nicht um Finanztransaktionen, sondern um Eigengeschäfte, außerbilanzielle Geschäfte und Derivate. Diese Frage wird übrigens bereits in allen europäischen Ländern intensiv diskutiert. Damit erzielen wir einen antispekulativen Steuerungseffekt.



Finanzspekulation war aus Sicht der ÖVP doch bisher nichts Schlechtes.

Pröll: Aber die Krise hat gezeigt, dass es in manchen Bereichen ein Zuviel an Spekulation und ein Zuwenig an Transparenz gab.



Der Kanzler wünscht sich weiters, dass Managergehälter ab einer gewissen Höhe nicht absetzbar sind. Wird das jetzt auch kommen?

Pröll: Das müsste man verfassungsrechtlich prüfen. Ich bin aber gegen Neiddebatten auf dem Rücken der Manager.



Das Budget 2011 wird nicht fristgerecht vorliegen, was offenbar mit dem Wiener Wahltermin (voraussichtlich 10. Okt.) zu tun hat.

Pröll: Danach richten wir uns sicher nicht. Wir werden Ende April im Parlament für alle Ressorts die Budgetobergrenzen beschließen. Da ist dann glasklar, wie viel jedes Ministerium bis 2014 zu sparen hat. Dann beginnt eine Detaildebatte. Keine Regierung seit 1945 ist vor so einer Mammutaufgabe gestanden, nach einem derartigen Kriseneinbruch in einem Jahr die ganze Perspektive von drei Jahren zu planen.



Bisher gab es das ÖVP-Mantra „Keine neuen Steuern“, das mit der Bankensteuer durchlöchert wurde. Wann wird anderes, etwa eine Mehrwertsteuererhöhung, folgen?

Pröll: Ich habe keinen Grund, über Steuererhöhungen nachzudenken. Wir konzentrieren uns jetzt voll auf die Ausgabenseite.



Die derzeit diskutierten Themen – Bankensteuer, Mindestsicherung, neue Mittelschule – sind SPÖ-Themen. Welche Visionen haben Sie?


Pröll: Ich will mit gesunden Staatsfinanzen Freiraum für Zukunftsinvestionen schaffen. Weitere Schwerpunkte: Österreich muss die zentrale Forschungsplattform zwischen West- und Osteuropa werden, Stärkung der Qualität der Universitäten, ganztägige Schulen ausbauen, Orientierung Österreichs an neuen Märkten. Wir wollen außerdem die Partei der arbeitenden Menschen sein und denen, die den Topf füllen, unter die Arme greifen, statt immer nur über Verteilungs-, aber nie über Leistungsgerechtigkeit zu reden.



Klingt trotzdem weicher als Westerwelle, der sogar von spätrömischer Dekadenz sprach.


Pröll:
Ich teile seine Position nicht in dieser Härte und will nicht, dass eine Gesellschaft der Schnellen die Langsamen frisst. Aber auf die Schnellen muss Rücksicht genommen werden, damit sie fit bleiben.



Der ÖAAB unterscheidet sich sehr oft kaum von den sozialdemokratischen Gewerkschaftern, siehe Verlängerung der Hacklerregelung.

Pröll: Im Leistungsdenken und im Bekenntnis zum Eigentum unterscheidet sich der ÖAAB klar von den linken Gewerkschaften.



Die Hacklerregelung läuft 2013 aus?


Pröll: Mein Ziel ist es, das Pensionssystem mit den Ausnahmen insgesamt zu hinterfragen. Die Vorschläge des Sozialministers gehen mir zu wenig weit. Ich schaue sicher nicht auf Dauer zu, dass bei der Hacklerregelung die Hackler unter die Räder kommen.



Kann sich Österreich ab September überhaupt eine Mindestsicherung leisten?


Pröll: Ja. Wobei für mich klar ist, dass es einen Druck in Richtung Arbeitswilligkeit und Zumutbarkeit geben muss. Die Mindestsicherung darf keine Hängematte werden.



Beim ORF durfte der Kanzler 17 Publikumsräte entsenden und hat 17 Rote geschickt. Haben Sie sich über den Tisch ziehen lassen?


Pröll:
Wir haben die Publikumsratsfaxwahl 5:1 gewonnen, damit eine absolute Mehrheit der SPÖ im Stiftungsrat verhindert und unsere Mobilisierungsfähigkeit gezeigt. Dass der Kanzler 17 SPÖ-Mitglieder entsendet, ist politisch falsch und zeugt von einer gewissen Nichtakzeptanz von Wahlergebnissen. Jeder soll sich sein Bild darüber machen.



Es hat Knatsch darüber gegeben?


Pröll:
Es gab eine klare Kommunikation darüber, die ich aber nicht über die Medien führen wollte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2010)

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