Folge 68. Manfred K. arbeitet als Hilfskraft in einer Ambulanz. Auf eigene Kosten und Initiative bildet er sich fort und erlangt ein einschlägiges Diplom. Er verlangt nun von seinem Arbeitgeber eine bessere Einstufung im Kollektivvertrag.
Kollektivverträge werden abgeschlossen zwischen kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber einerseits und der Arbeitnehmer andererseits. Sie gelten in der Regel für Arbeitgeber und Arbeitnehmer einer bestimmten Branche. Kollektivverträge enthalten unmittelbar verbindliche Normen, die die Arbeitsbedingungen regeln. Dabei kann der Kollektivvertrag gegenüber zwingendem Gesetzesrecht für die Arbeitnehmer nur günstigere Regelungen enthalten. Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge sind ihrerseits nur gültig, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger sind als der Kollektivvertrag oder wenn sie Angelegenheiten betreffen, die im Kollektivvertrag nicht geregelt sind.
Kollektivverträge enthalten Mindestentgelte, die nach Verwendungsgruppen abgestuft sind. Für Verwendungsgruppen sind auch Bezeichnungen wie Gehaltsgruppe, Beschäftigungsgruppe oder Tätigkeitsfamilie geläufig. Außerdem gibt es in den meisten Kollektivverträgen Abstufungen nach Berufsjahren.
Die Verwendungsgruppen werden in der Regel so definiert, dass in einem Einreihungsschema Aufgaben und Anforderungen beispielhaft genannt sind; mitunter werden auch exemplarisch Beispielstätigkeiten angeführt. Ausgehend von den am Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers tatsächlich anfallenden Arbeiten ist zu ermitteln, welcher Verwendungsgruppe des Kollektivvertrages der Arbeitsplatz entspricht.
Tatsächliche Tätigkeit entscheidend für Einstufung
Weist die konkret anfallende Arbeit Tätigkeitsmerkmale von zwei oder mehr Verwendungsgruppen auf, kommt es darauf an, welche Tätigkeitsmerkmale tatsächlich überwiegen (es sei denn, der Kollektivvertrag legt zB fest, dass die höherwertige Tätigkeit maßgeblich sein soll). Im Allgemeinen überwiegen jene Tätigkeitsmerkmale, die mehr Zeit in Anspruch nehmen. Wenn aber ausnahmsweise die höher qualifizierte Tätigkeit für den Arbeitgeber die ausschlaggebende Bedeutung hat, dann kommt es auf diese und nicht auf das zeitliche Überwiegen an.
Für die Einstufung kommt es darauf an, welche Tätigkeit ein Arbeitnehmer tatsächlich ausübt, nicht jedoch auf Tätigkeiten, die der Arbeitnehmer aufgrund seiner Qualifikationen ebenfalls an einem anderen Arbeitsplatz übernehmen könnte. Es kann also sein, dass jemand für die ausgeübte Tätigkeit überqualifiziert ist; das kann aber nicht zu einer durch seine Tätigkeit nicht gerechtfertigten höheren Einstufung führen. Wenn also, um ein Klischee zu strapazieren, ein Absolvent eines akademischen Studiums Taxi fährt, dann hat er darauf Anspruch, als Taxifahrer entlohnt zu werden.
Ebenso ist es im Fall von Manfred K. Dass er eine (einschlägige) Diplomausbildung absolviert hat, verschafft ihm noch keinen Anspruch auf die Beförderung auf einen Arbeitsplatz, der einer höherwertigen Verwendungsgruppe zugeordnet ist.
Fazit
Für die Einstufung im Kollektivvertag kommt es in der Regel auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit an. Im Ausgangsfall übt Manfred K. trotz seines Diplomabschlusses die gleiche Tätigkeit aus, als bisher. Manfred K. hat daher keinen Anspruch auf bessere Einstufung im Kollektivvertrag.

Kurt Wratzfeld ist Partner bei der Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH (fwp) mit Spezialisierung in den Bereichen Arbeitsrecht, Prozessführung, Betriebspensionsrecht und allgemeines Zivilrecht. Er ist Autor zahlreicher Publikationen.