Ceta: Was es mit den "Giftzähnen" auf sich hat

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Die Regierung hat heute im Ministerrat den Handelspakt mit Kanada abgesegnet. An den strittigen Punkten hat sich trotz der monatelangen Diskussionen jedoch nichts geändert.

War die ganze Aufregung umsonst? Monatelang hatte das kanadische Freihandelsabkommen Ceta in der Europäischen Union - und auch in Österreich - für Diskussionen gesorgt. Zur Erinnerung: Der französische Teil Belgiens, die Wallonie, hätte den Pakt im Oktober 2016 nahezu zum Platzen gebracht.

Und auch die SPÖ stemmte sich lange gegen das Abkommen. Parteichef Christian Kern ließ das Parteipräsidium im Herbst 2016 über das auch in der österreichischen Bevölkerung höchst unbeliebte Abkommen abstimmen, nachdem sich die SPÖ-Mitglieder in einer Befragung gegen den Pakt ausgesprochen hatten.

Heute hat der Ministerrat den Vertrag nun sang- und klanglos durchgewunken. Für die FPÖ ist die Zustimmung heikel: Ebenso wie die SPÖ war sie immer gegen den Handelspakt. Noch im Wahlkampf hatte die FPÖ eine Volksabstimmung darüber gefordert. Führende FPÖ-Politiker wie Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer hatten wie mehr als eine halbe Million Österreicher sogar ein Volksbegehren gegen Ceta und das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP unterzeichnet.

Hofer verteidigt Meinungsschwenk

Am Montag verteidigte FPÖ-Regierungskoordinator Norbert Hofer den Meinungsschwenk: Die Zustimmung zu Ceta sei für die Volkspartei entscheidend für eine Koalition gewesen. Von einem Gesichtsverlust wollte er nicht sprechen. Zuvor hatte bereits FPÖ-Klubchef Walter Rosenkranz den Sinneswandel seiner Partei im Ö1-Morgenjournal gerechtfertigt. Dem Abkommen seien mittlerweile die "Giftzähne" gezogen worden. Doch stimmt das?

90 Prozent des Abkommens traten bereits Ende 2017 in Kraft. Die bisher nicht in Kraft getretenen Teile des CETA-Abkommens können erst dann angewendet werden, wenn auch die Parlamente der EU-Staaten den Text ratifiziert haben. Von den 28 EU-Staaten haben dies bisher erst Lettland, Dänemark, Spanien, Kroatien und Malta gemacht. Mit seinem Ja hat auch der Ministerrat heute den Weg dazu geebnet. Noch vor dem Sommer soll der Pakt in Österreich durch das Parlament gehen.

Kerns medienwirksame Brüssel-Reise

Enthalten in diesen zehn Prozent sind auch Punkte, gegen die der damalige Kanzler Kern sehr medienwirksam Sturm gelaufen war. Er war nach Brüssel gereist, um Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker die Leviten zu lesen. Dort forderte er eine verbindliche Erklärung, die den österreichischen Bedenken Rechnung trage. Brüssel reagierte gelassen. Es schickte Österreich den sogenannten Beipackzettel - eine mehrseitige "interpretative Erklärung", die zum besseren Verständnis des 1598-seitigen Abkommens dienen sollte. Die geforderte Änderung an den Inhalten des Handelspakts konnte Kern nicht erwirken.

Großer Streitpunkt waren damals der Investitionsschutz und die Investitionsgerichtsbarkeit. Es ist beabsichtigt, dass ein öffentlicher Investitionsgerichtshof Streitfälle mit Konzernen löst. Kritiker argumentierten, dass die Schiedsgerichte ausländische Investoren vorteilhafter als heimische Investoren behandeln würden. Mit seinem Herzenswunsch konnte sich Kern damals nicht durchsetzen: Die Schutzklauseln treten erst in Kraft, sobald alle 28 EU-Mitglieder grünes Licht gegeben haben.

Kritik gab es außerdem wegen der angeblichen Aushöhlung von Sozial- und Umweltstandards, etwa beim Umgang mit genmanipulierten Lebensmitteln, die in EU-Staaten ausgewiesen werden müssen und mehr Kontrolle unterliegen. Die EU-Kommission weist dies zurück. US-Firmen und kanadische Unternehmen blieben an EU-Standards gebunden, sollten sie auf hiesigen Märkten aktiv werden. Auch an den EU-Regelungen für genmanipulierte Lebensmittel ändere sich nichts.

EU erwartet sich mehr Exporte

Auch das in der EU geltende Vorsorgeprinzip sehen Ceta-Skeptiker bedroht. Es erlaubt Produkte nur, wenn sie für Mensch und Umwelt nachweislich unschädlich sind. Güter können auch vorsorglich vom Markt genommen werden, wenn verfügbare Daten noch keine umfassende Risikobewertung zulassen.

Die EU auf der anderen Seite erwartet sich durch Ceta Exportchancen auch für Klein- und Mittelbetriebe durch die Öffnung der Waren- und Dienstleistungsmärkte sowie der öffentlichen Auftragsvergabe in Kanada. Durch das Abkommen entfallen mit dem vorläufigen Inkrafttreten 98 Prozent aller kanadischen Zollgebühren. Nach Berechnungen der EU-Kommission ersparen sich die Europäer dadurch jährlich Zollgebühren in Höhe von 590 Millionen Euro.

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