Royal Wedding: Keep Calm and Marry On

(c) Carolina Frank
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Kein Drama mehr, meinen die Windsors, und schreiben ihre klassische Prinzessinnenrolle Instagram-tauglich um. In der Hauptrolle: Meghan Markle.

Wedding Breakfast heißt in England das Festessen nach einer Hochzeit. „Es heißt Frühstück, aber eigentlich ist es ein Mittagessen“, merkte die damalige Fürstin von Wales, Lady Diana Spencer, Anfang der 1990er-Jahre gegenüber einem ihrer engsten Freunde an – der da gerade vor ihr saß, mit einem Aufnahmegerät am Tisch, um auf der Fürstin Wunsch hin ihre eigenen Gedanken über ihr (noch nicht allzu langes) Leben aufzuzeichnen. Und diese dann dem Journalisten Andrew Morton zu übergeben, der Lady Dianas Erinnerungen, ihre eigene mündliche Überlieferung, in Buchform bringen sollte.

Ihr Wedding Breakfast hatte 1981 im Londoner Buckingham-Palast stattgefunden, nach einer Fahrt in der offenen Kutsche, zwischen Abertausenden künftigen Untertanen, unter dem bedeckten, grauen englischen Julihimmel, neben ihrem Gatten sitzend – dem Thronfolger Prinz Charles, Fürst von Wales. Sie habe die Feierlichkeit im Schloss damit verbracht, herauszufinden, wo sie gerade sein sollte, „meine lange Schleppe in der Hand“.

Das Wedding Breakfast, das der jungen Britin allerdings nachhaltiger im Gedächtnis bleiben sollte, fand wenige Wochen vor der „Hochzeit des Jahrhunderts“ statt. Lady Diana, seit ihrer Verlobung mit dem Prinzen kaserniert im Haus von dessen Großmutter, findet in einem Büro mehr oder weniger zufällig handfeste Hinweise auf dessen anhaltende Hingabe zu seiner Exfreundin Camilla Parker Bowles. „Ich ging hinauf, aß mit meinen Schwestern, die bei mir waren, zu Mittag, und sagte: ‚Ich kann ihn nicht heiraten. Ich kann das nicht machen. Das hier ist absolut unglaublich.‘ Und sie waren wundervoll und sagten: ‚Nun, Pech gehabt, Duch. Dein Gesicht ist auf den Geschirrtüchern, du bist also zu spät dran, um dich zu drücken.“

Licht und Schatten. Diana erkrankte vor der Hochzeit an Bulimie. Meghan machte eine Saftkur.
Licht und Schatten. Diana erkrankte vor der Hochzeit an Bulimie. Meghan machte eine Saftkur.(c) Carolina Frank

Goodbye English Rose. Größer könnte der Unterschied nicht sein zwischen den beiden Blushing Brides, die die Welt faszinieren – die eine noch immer, die andere erst seit Kurzem. Lady Diana, vor 20 Jahren verstorben, hätte am 19. Mai 2018 eine neue Schwiegertochter serviert bekommen, auch diese wohl verpackt in weiße Seide, verziert mit Perlen und Diamanten, versteckt hinter einem zarten Schleier. Aber ansonsten ist Meghan Markle, Braut von Prinz Harry von Wales, alles andere als die 19-jährige, rotbäckige, unbeholfene Adelstochter, als die Lady Diana 1981 vor dem Altar stand. Markle ist 36 Jahre alt, geschieden, US-Amerikanerin. Sie zerstört den Mythos der „englischen Rose“ mit voller Wucht.

Lady Diana hoffte seit Kindheitstagen auf den Prinzen, der sie aus ihrem Unglück erretten und hinführen würde in die große Zukunft, die sie sich erträumte; ihre Schwiegertochter in spe wählte sich im Gegensatz dazu den Prinzen ganz bewusst selber aus. Während Lady Diana vor lauter Angst vor der königlichen Hochzeit an Bulimie erkrankte, macht Meghan Markle eine Saftkur. Hätte die Ex-Schauspielerin noch ihren einstigen Instagram-Account mit gut zwei Millionen Followern, würde sie sicher Fotos ihrer Detox-Smoothies mit ihnen teilen – live aus dem Kensington-Palast, vor farblich abgestimmtem Hintergrund, mit einer inszenierten Gemüseabordnung als Dekoration und dem Entsafter als Accessoire (wie man dank der bestens informierten britischen Klatschpresse weiß, handelt es sich bei diesem extra für die Hochzeit erstandenen Küchengerät um ein High-End-Produkt, das auch Prinz Harry verwenden soll). Lady Diana erzählte im Gegensatz dazu erst Jahre später von ihrer Essstörung, und auch da erst einer ihrer Schwestern.

Überlebensstrategie. Aber: Warum wissen wir das überhaupt? Warum interessiert uns das alles so brennend? Warum sagt man „So wie Meghan Markle“, wenn man beim Friseur die Hochsteckfrisur der Wahl beschreiben möchte? Wieso spricht man über eine Mittdreißigerin, die einen vom Titelblatt des sonntäglichen Magazins der „Kronen Zeitung“ aus im Kapotasana (zu Deutsch: der Yoga-Position „Taube“) verharrend leicht verschwitzt anlächelt, während Österreich auf den sonnigen Terrassen der Großmütter sitzt und Schwarzwälderkirsch in sich hineinschaufelt?

Das ist ganz einfach. Die englische Königsfamilie wählte schon vor über zwei Jahrhunderten eine Strategie, sich selbst relevant zu halten, während vor Europas Palastmauern immer wieder Revolution ausbrach. „Be seen to be splendid, but above all be seen“ wurde das Arbeitsmantra der Welfen/Sachsen-Coburg-Gothas/Windsors – zeige dich in der prächtigsten Herrlichkeit, aber vor allem: Zeige dich.

Die königliche Frau ereilte das Schicksal, die Transporteurin der verbindenden Kraft des Gewöhnlichen zu werden. Den gesellschaftlichen Umständen entsprechend zeigte sie sich als Ehefrau, Hausfrau, Mutter; ihr Privates wurde öffentlich, während der entsprechende Ehemann sehr wohl ein Anrecht auf Privatsphäre und eigene Interessen erhielt.
Diese mediale Spielart ist bis heute gültig; die englischen Zeitungen bedenken selbst die dreijährige Prinzessin Charlotte von Cambridge schon mit Uralt-Klischees von Weiblichkeit. „Prinz Louis wird ein charmanter Frauenheld wie sein Onkel Harry, Prinz George ist dazu bestimmt, König zu werden, und Prinzessin Charlotte besitzt die gleichen liebevollen Eigenschaften wie ihre Mama Kate“, lautete eine „Daily Mail“-Schlagzeile im Mai.

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Es ist fraglich, ob die selbstdeklarierte Feministin Markle die Darstellung aufbrechen wird. Oder will. Bisher zeigte sie wenig Interesse daran, anders anzukommen als die unzähligen britischen Prinzessinnen vor ihr: fürsorglich, liebevoll, mütterlich, attraktiv. Geändert hat sich bislang lediglich die Optik. Während das Fürstenpaar von Wales die Flügeltüren seiner Wohnung im Kensington-Palast für Kamerateams offenhielt, die die Baby-Prinzen William und Harry in den Armen ihrer Mutter abfilmten, war Meghan Markle bis vor Kurzem selber noch außerordentlich willens, Bilder von Blumenarrangements über Truthahnbraten bis zu Spiegel-Selfies aus ganz freien Stücken mit der Welt zu teilen. Die 1980er-Jahre in Technicolor, die 1990er-Jahre in Versace wurden abgelöst von den 2010er-Jahren mit Instagram-Filter.

Ausverkauft. Markle musste mit der anstehenden Eheschließung und dem damit verbundenen Eintritt in das Reich der königlichen Mythen ihr Instagram-Profil löschen. Aber keine Sorge: Der private Einblick wird nicht wegfallen. Meghan Markles intimste Momente werden bloß künftig gezielt von der Pressestelle des Prinzen veröffentlicht.

Warum sollte das Königshaus seine Strategie auch ändern? Die Frau als Aushängeschild, als die Nahbare, scheint nach wie vor zu funktionieren. Dass selbst der royale Neuling Markle dieses Spiel perfektioniert hat, ist wohl auch am viel beschriebenen „Meghan Effect“ abzulesen: Was sie trägt, ist ausverkauft. Die 50.000-Pfund-Robe von den Couturiers Ralph & Russo, die Markle zum Verlobungsfotoshooting trug, freilich nicht, das fällt unter den Teil „prächtigste Herrlichkeit“. Aber die 150-Pfund-Sonnenbrille schon. Die 150-Dollar-Handtasche. Der 45-Pfund-Ring. Etwas Glanz für alle.

Und wir fallen natürlich darauf herein. Die Königsfamilie, die Mountbatten-Windsors im Speziellen, hat gelernt, dass da nicht mehr viel ist hinter Pomp und Zeremonien. Sie wissen, dass sie unterhalten müssen; die entzückend ehrliche respektvolle Distanz vieler Engländer zum Staatsoberhaupt und seiner Familie ist ein Teil davon. Mit jeder Braut, jedem Baby gewinnt die Familie; mit jedem Skandal, jeder Scheidung verliert sie. Deswegen ist Markle gerade überlebenswichtig für das Haus Windsor. Nicht nur wegen des biologischen Überlebens. Sondern auch, weil sie eine völlig neue Identifikationsfläche bietet.

Nach „Plastic Kate“ Middleton, Ehefrau von Prinz William von Wales und Frau ohne Eigenschaften, ist Meghan Markle eine willkommene Abwechslung. Markle lebte in den USA und in Kanada, weit weg also vom Orbit der britischen Upper (Middle) Class, von den teuren Universitäten und Privatschulen, auf denen sich royale Zirkel meistens bilden. Sie nutzte das Bisschen Fame, das sie durch eine Rolle in der US-amerikanischen Fernsehserie „Suits“ erlangt hatte, um sich als Wohltäterin zu profilieren. Frauenrechte standen ganz weit oben auf der persönlichen Agenda, Markle flog etwa nach Indien, um ein Programm zu besuchen, das die Menstruation entstigmatisieren will. Markle flog aber auch nach Italien, um sich mit ihrer besten Freundin gelageartige Aperitivos zu liefern. Beides dokumentierte sie dann auf „The Tig“, ihrem Lifestyle-Blog, benannt nach dem (falsch ausgesprochenen) italienischen Rotwein Tignanello. (Markle schrieb einmal, sie habe vor dem Tignanello bloß in Rot- und Weißwein unterschieden.)

Herrlich frei von journalistischen Spielregeln konnte Markle auf „The Tig“ an ihrer Marke arbeiten: Sie war eine Liebhaberin von Luxus, von Sport, von Sinnsprüchen, all das mit reinem Gewissen. Dazu interviewte sie Prominente, Liz Hurley zum Beispiel oder Ivanka Trump (die „atemberaubend schön“ und „unglaublich klug und intelligent“ sei). So viel wie über Markle wusste die Welt noch nie zuvor über eine königliche Braut. Aber gleichzeitig war eine königliche Braut auch noch nie so unabhängig, so politisch wie Markle, die sich als Gegnerin von Donald Trump und dem Brexit deklarierte. War Markle am Weg zum klassischen Social-Media-Influencer, werde sie durch ihre Hochzeit nun zum größten aller Influencer, wie die „New York Times“ kürzlich bemerkte.

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Markle wird auch dadurch interessant, dass sie der Königsfamilie neue Facetten bietet, die diese vor den 2010er-Jahren wohl nie angenommen hätte. Sie ist nicht nur US-Amerikanerin und bereits geschieden – der Geliebten von König Edward VIII., Wallis Simpson, wurden diese beiden Faktoren zum Verhängnis, den König kosteten sie die Krone –, sie ist künftig auch die erste nicht weiße Prinzessin, die das englische Königshaus je hatte. Dass manche in Post-Brexit-Großbritannien mit dieser Selbstverständlichkeit nicht umgehen können, bestärkt die unmittelbare Königsfamilie nur. Die Liebesgeschichte von Markle und Prinz Harry bringe Leute in einer aktuell schwierigen Weltlage wieder dazu, an Märchen zu glauben, schrieb Markles gute Freundin, die Schauspielerin Priyanka Chopra, über das Paar.

Die Geschichte vom Märchen. „Dies ist der Stoff, aus dem Märchen gemacht sind“: Mit diesen Worten traute der damalige Erzbischof von Canterbury, Robert Runcie, 1981 Lady Diana Spencer und Prinz Charles. Bei den Mountbatten-Windsors zählt nur das. Man kann nur hoffen, dass Meghan Markle der Romantik-Lüge der Royals nicht so sehr verfällt wie Lady Diana. Sie war davon eingenommen, genauso wie die Nation, irgendwann die Welt von ihr eingenommen war.

Eine Institution, die de facto nur über das Verkaufen von unerreichbaren Ideen überleben kann, hat mit Markle einerseits einen idealen Deal gemacht; die Neue bekommt im Gegenzug die wohl einzige Bühne der Welt, auf der es möglich ist, wirklich öffentlich wirksame Wohltätigkeitsarbeit zu machen. Andererseits könnte es auch sein, dass diese neue Prinzessin sich nicht für immer in ein Korsett quetschen lässt. Die Gefahr der Unabhängigkeit muss das Königshaus wohl annehmen, um besonders den jüngeren Mitgliedern eines bieten zu können: zumindest ansatzweise ein normales Privatleben, zumindest ansatzweise echtes Glück.

So oder so fasziniert diese Familie die Weltöffentlichkeit. Nicht, weil die Mountbatten-Windsors so pompös wären (die verstorbene Prinzessin Margaret einmal ausgenommen), nein. Sondern weil diese Familie ziemlich offensichtlich einfach auch ein bisschen verrückt ist – so wie ungefähr alle Familien. Dass Königin Elizabeth sich köstlich über Meghan Markles erstes Weihnachtsgeschenk, einen aufziehbaren Spielzeughamster, amüsiert haben soll, ist genauso ein Indiz dafür wie der Umstand, dass der kleine Prinz Charles zu seinem Großonkel Louis Mountbatten flüchten musste, um als Kind etwas zwischenmenschliche Nähe zu erfahren.

Dass die Windsors mittlerweile offen damit kokettieren, ist beruhigend, blickt man zurück auf die 1990er-Jahre, in denen Lady Diana, ganz in Versace gehüllt, beinah die Monarchie zerschlagen hätte. „Wir sind eigentlich ganz normal“, ist der O-Ton, die Betonung natürlich insgeheim auf „eigentlich“. Wer sonst hat schon seine Familiengeschichte in einer Netflix-Serie verewigt? Und schaut sie selbst? Was wirklich zählt ist doch ohnehin, ob Meghan Markle dort in die Besetzung passt.

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