Nationalrat zu Ceta: "Aber FPÖ, sagt's mir, was ist mit euch?"

Die Umweltorganisation Greenpeace hat am Mittwoch, 16. Mai 2018, aus Protest gegen den Beschluss des Freihandelsabkommens CETA das Bundeskanzleramt am Wiener Ballhausplatz abgeriegelt.
Die Umweltorganisation Greenpeace hat am Mittwoch, 16. Mai 2018, aus Protest gegen den Beschluss des Freihandelsabkommens CETA das Bundeskanzleramt am Wiener Ballhausplatz abgeriegelt.APA/GEORG HOCHMUTH
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Der Ministerrat hat den Weg für eine Ratifizierung des Handelsabkommens zwischen der EU und Kanada freigemacht. Die SPÖ brachte im Parlament eine Dringliche Anfrage ein, die Liste Pilz ortet einen "Umfaller der Sonderklasse" der FPÖ.

Die bevorstehende Ceta-Ratifizierung hat am Mittwoch nicht nur die "Aktuelle Europastunde" des Nationalrats geprägt - sondern auch den Heldenplatz. Auf letzterem fanden sich schon in der Früh Aktivisten der Organisation Greenpeace ein, um mit einer Blockade vor dem Haupteingang des Bundeskanzleramts gegen das Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada zu protestieren. Genutzt hat der Protest allerdings nichts: Die türkis-blaue Regierung verständigte sich im Ministerrat auf die Ratifizierung des Vertrages, von dem große Teile bereits Realität geworden sind.

Auch die Debatte im Nationalrat drehte sich dann um Ceta: Dort ritten SPÖ und Liste Pilz verbale Attacken gegen das Vorgehen der Koalition, insbesondere gegen das Verhalten der Freiheitlichen.

Letztere seien "umgefallen", so der Tenor. So argumentierte der rote Europasprecher Jörg Leichtfried, dass die Ratifizierung eine Ignoranz gegenüber den laufenden Verfahren zu Ceta vor EuGH und deutschem Verfassungsgericht darstelle. Besonders stören ihn die "Geheimtribunale", also Schiedsgerichte, wo Arbeitnehmerrechte unter den Tisch fallen würden. Zwar wisse man, so Leichtfried weiter, dass der ÖVP ältere Arbeitslose egal seien, "aber FPÖ, sagt's mir, was ist mit euch?" Zudem wurde von der SPÖ ein "Dringlicher Antrag" eingebracht, mit dem entweder eine Volksabstimmung über den Pakt erreicht oder die Sonderklagerechte für Konzerne gestrichen werden soll; sie wird nach 15 Uhr debattiert.

In die gleiche Kerbe schlug Bruno Rossman von der Liste Pilz. Er warf Vizekanzler, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache einen "Umfaller der Sonderklasse" vor und warnte vor einem "Abkommen des Raubtierkapitalismus".

Strache sah "Rote Linie der ÖVP"

Strache argumentierte ganz ähnlich wie sein Vize-Parteichef, Ex-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer: Die Bundespräsidentenwahl 2016 sei eine Richtungsentscheidung gewesen, und mit Alexander Van der Bellen habe ein CETA-Befürworter gewonnen. Außerdem seien dem Abkommen zwischenzeitlich die Giftzähne gezogen worden.

Das Abgehen von der Volksabstimmungsforderung der FPÖ begründete Strache damit, dass die ÖVP hier eine rote Linie gezogen habe. Hätte man diese überschritten, hätte es keine Koalition gegeben und Rot-Schwarz eine Fortsetzung gefunden. Auch sein Klubchef Johann Gudenus sah das so. Er schwärmte vom nunmehr "besten Regierungsprogramm, das die Zweite Republik je hatte". Der SPÖ unter Christian Kern attestierte Gudenus eine "Märchenstunde eines gescheiterten Bundeskanzlers" und Ahnungslosigkeit über das Abkommen. Kritik übte auch die ÖVP, Peter Haubner sah den wahren Zick-Zack-Kurs bei den Sozialdemokraten.

Ohnehin immer schon für das Abkommen waren ÖVP und Neos. Vorläufig in Anwendung ist Ceta ja zu einem großen Teil schon und für türkise Mandatarin Angelika Winzig hat sich damit die Position der Linken verschlechtert, seien doch die "Weltuntergangsprophezeiungen" nicht eingetroffen. EU-Mandatar Othmar Karas argumentierte, dass Handelsabkommen Europas einziges Instrument seien, "unser Recht, unsere Werte und unsere Standards global durchzusetzen."

Die Neos-Europaparlamentarierin Angelika Mlinar betonte, dass der Binnenmarkt das Herzstück der EU sei und auch die Voraussetzung biete, um konkurrenzfähig zu bleiben und damit Arbeitsplätze zu schaffen. Lokale "Autarkie-Phantasien" seien falsch. Was es brauche, seien faire Handelsabkommen.

E-Mail-Aktion gegen Ceta

Der nicht mehr im Parlament vertretene Grünen-Chef Werner Kogler gab zu bedenken: "Die privilegierten Klagerecht für Konzerne bestehen im ICS-Verfahren nach wie vor und sie sind von der vorläufigen Anwendung nicht umfasst; sie können durch Nichtratifizierung noch gestoppt werden." ICS steht dabei für "Investment Court System" (Investitionsgerichtssystem). Ein solches öffentliches System soll bei Ceta das bisher aus Investitionsabkommen bekannte ISDS (Investor to State Dispute Settlement, Investor-Staat-Streitbeilegung) ersetzen.

Die Plattform "Anders Handeln", die das Anti-Ceta/TTIP-Volksbegehren noch unter anderem Namen organisiert hatte, startete unvergessenen eine E-Mail-Aktion. Ceta-Gegner können dabei auf www.anders-handeln.at/petition "die Pro-Ceta-Abgeordneten von ÖVP, FPÖ und Neos direkt auffordern, das Abkommen abzulehnen".

Lob gab es indes von der Wirtschaftskammer (WKÖ) und der Industriellenvereinigung (IV). "Noch die letzte Regierung unter Führung der SPÖ hat - völlig zu Recht - grünes Licht für den Abschluss von Ceta gegeben. Nun geht es darum, diesen Weg zu Ende zu gehen und Ceta in vollem Umfang anzuwenden", sagte Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl. "Die Regierung entscheidet für mehr Wohlstand und Arbeitsplätze in Österreich", betonte auch IV-Präsident Georg Kapsch. Die Landwirtschaftskammer reihte sich ebenfalls unter die Ceta-Freunde ein, warnte aber gleichzeitig vor anderen Freihandelsabkommen.

(Red./APA)

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