Erstochene Siebenjährige: Wer kann den "allgemeinen Hass" erklären?

Psychiater sind derzeit die beliebtesten Gesprächspartner zu dem schrecklichen Mord an dem kleinen Mädchen.
Psychiater sind derzeit die beliebtesten Gesprächspartner zu dem schrecklichen Mord an dem kleinen Mädchen.(c) Screenshot
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TV-Notiz Die ZIB2 und Café Puls luden Gerichtspsychiater ein, um über die grausame Tat zu sprechen. Können sie ein wenig Licht ins Dunkel bringen? Tatsächlich ja.

Fassungslosigkeit beherrscht die Berichterstattung um das kleine Mädchen, das am vergangenen Wochenende erstochen wurde. Warum tötet ein bisher unauffälliger Gymnasiast ein siebenjähriges Kind? Kann man für eine so schreckliche Tat tatsächlich kein Motiv haben? Nur einen diffusen Hass auf die Welt? Dieser Frage gingen gestern die ZIB2 und heute Café Puls nach: Sie luden jeweils eine Gerichtspsychiaterin ein. Und obwohl beide Expertinnen darauf hinwiesen, dass man noch viel zu wenig wisse, um die Sache beurteilen zu können: Ein wenig Licht brachten sie doch ins Dunkel.

In der ZIB2 war Adelheid Kastner aus Linz zugeschalten. Die Gerichtspsychiaterin erklärte, dass der Täter sein Opfer vielleicht nicht zufällig aussuchte, für sie klinge die Wahl eher pragmatisch. Ein Kind, von dem wenig Widerstand zu erwarten war, das er wegen des Vertrauensverhältnisses in das Badezimmer mitnehmen konnte. Also: Eine „pragmatische Entscheidung“. Soweit man das aus der Distanz beurteilen könne. Kastner sieht bei dem 16-Jährigen nur eine scheinbare Motivlosigkeit, er scheine durch Hass auf alles und jeden getrieben zu sein. Er wollte sich abreagieren, dieses Motiv sei nicht so ungewöhnlich, wie es scheine, Stichwort Amokläufer.

Was sich wohl ebenfalls alle fragen – vor allem, nachdem bekannt wurde, dass der Täter keinerlei Reue zeigt: Hätte ein dermaßen empathieloser Mensch nicht auffallen müssen? Kastners Antwort: "Nicht zwingend. Ich glaube, es gibt einige empathiebefreite Menschen, die herumlaufen und nicht sonderlich auffallen, wenn sie funktionieren. Und er dürfte ja einigermaßen gut funktioniert haben." Und sie weist auch darauf hin, dass das, was der Täter jetzt so sagt, tatsächlich der Wahrheit entspreche. Man wisse einfach noch zu wenig, die Motivsuche sei schwierig. Es gebe auch einige Möglichkeiten, was sich hinter dem pauschal artikulierten Hass verbergen könne. Dieser allgemeine Hass sei trotzdem nicht singulär - das sei "ein Narrativ, mit dem wir ganz schlecht leben können".

Armin Wolf verwies auf Kastners lange Erfahrung und fragt: "Gibt es Menschen, die solche Bluttaten vollbracht haben, erfolgreich therapiert wurden und die funktionierende Mitglieder der Gesellschaft geworden sind?" Die sympathische Psychiaterin atmet tief durch und seufzt. Die Gretchenfrage. Es sei eher eine Bilanz, die der Täter ziehe: Wenn er wieder ein Verbrechen begehe, würde ihm wieder etwas Ähnliches passieren, er hinter Gitter gehen. Also tue er es vielleicht nicht. Aber es gehe ihm um sich selbst, nicht das Opfer.

Nicht ganz so tiefgehend verlief heute früh das Gespräch auf im Café Puls. Puls 4 lud Sigrun Roßmanith, „Österreichs bekannteste Gerichtspsychiaterin“ ins Studio. Es müsse eine Vorgeschichte geben, sagt diese – und wies darauf hin, dass durchaus eine bisher unauffällige Krankheit oder Störung dahinter stecken könnte. Auch, dass der Täter über diese grausame Grenze gegangen sein könnte „um sich zu spüren, zu beleben“ und „ein Gefühl der Macht wahrzunehmen“  sei für sie denkbar. Warum Psychiater derzeit die beliebtesten Gesprächspartner zu dem Verbrechen an dem kleinen Mädchen sind? Die Frage nach dem Motiv kann eben nicht immer so beantwortet werden, dass sie nachvollziehbar ist. Ein wenig mehr Licht hilft aber schon.

Das Interview in der ZIB 2 zum Nachschauen >>>
Café Puls: Sendung auf Puls 4 >>>

 

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