Monumente eines Sonnenkönigs

Kreisky hat viele Bauten hinterlassen, einige gegen den Willen des Volkes. Warum Zwentendorf und das Austria Center heute trotzdem stehen.

Sie machen den Unterschied aus zwischen einem guten, aber nicht außergewöhnlichen Politiker – und einem wahren Sonnenkönig: Die Monumentalbauten, die er hinterlässt. An die zentralistischen Reformen LudwigsXIV., den ursprünglichen Träger dieses Titels, erinnert nichts so prägnant wie der Palast von Versailles, in dem er den gesamten Adel Frankreichs um sich scharte.

Und auch an Österreichs „Sonnenkönig“ Bruno Kreisky erinnern bis heute zahlreiche Bauten: Allen voran natürlich die UNO-City in Wien-Donaustadt. Die Idee dafür geht zwar auf die ÖVP-Regierung vor ihm zurück – aber erst Kreisky beauftragte den Architekten Johann Staber mit den Planungsarbeiten und durfte den Komplex 1979 unter großem Beifall eröffnen.


Ein Zentrum für den Frieden. Acht Jahre später und keine hundert Meter weiter zeigte sich dann ein anderes Bild: Im April 1987 liefen die Vorbereitungen für die Eröffnung des Austria Centers, dem neuen riesigen Konferenzzentrum und Symbol für Wien als internationales Zentrum, auf Hochtouren. Doch Kreisky, inzwischen nur noch Altbundeskanzler, war grantig. Es sei unerhört, so spät eingeladen zu werden, teilte er Bundeskanzler Franz Vranitzky mit, sagte ab und zog sich in den Schmollwinkel zurück.

Hauptgrund für Kreiskys rüdes Verhalten war nicht nur seine wachsende Aversion gegen den Banker, der jetzt die Sozialdemokratie führte, sondern vor allem, dass das neue Austria Center ihn an die schwierige politische Zeit sechs Jahre davor erinnerte: Das Volksbegehren gegen das Konferenzzentrum, bei dem im Mai 1981 1,4Millionen Österreicher, fast ein Drittel der Wahlberechtigten, das Projekt abgelehnt hatten. Der Weltpolitiker Kreisky boxte das Projekt trotzdem durch – mit dem Argument, dass ja eigentlich eine große Mehrheit dafür gestimmt habe.

3,9Millionen Menschen haben seit der Eröffnung im Austria Center getagt. Wenn kommende Woche 18.000hoch spezialisierte Ärzte aus aller Welt in das Austria Center strömen, um am alljährlichen riesigen Radiologenkongress teilzunehmen, werden sie vermutlich von den politischen Anfangsschwierigkeiten des ACV wenig wissen. Außer vielleicht, sie sehen sich die Adresse genauer an: Bruno-Kreisky-Platz1.

Heute ist das einst umstrittene und als Betonpalast bezeichnete Austria Center Vienna eine etablierte Kongressinstitution. Dabei war das am Anfang gar nicht so sicher. Denn es gab nicht nur den Widerstand der ÖVP, die damals das Volksbegehren – und wenige Monate davor eine Volksbefragung in Wien – initiiert hatte. Auch die künftigen Besucher, für die Kreisky das Kongresszentrum bauen wollte, waren nicht angetan. Vor allem die KSZE (heute OSCE)-Diplomaten wehrten sich gegen eine Übersiedlung nach Kaisermühlen und wollten die Hofburg nicht verlassen. Hier konnte man nach den Sitzungen gemütlich in den Kaffeehäusern plaudern oder shoppen gehen. In Transdanubien, jenseits der Donau, stand damals lediglich die UNO-City als einsames Großgebäude mit wenig Infrastruktur rundherum. So kam es, dass ausgerechnet der Internationalist Kreisky in der internationalen Gemeinschaft Wiens heftigen Widerstand vorfand.

Dass das Austria Center doch noch zur Erfolgstory wurde, liegt auch daran, dass sich Wien als führende Kongressstadt Europas etablierte und dass auch UNO-Diplomaten regelmäßig auf das Austria Center zurückgreifen. Mittlerweile hat sich um die „Vorreiter“ Austria Center und UNO-City ein eigener Stadtteil entwickelt: die Donau-City. Am Bau selbst hat sich seit den Achtzigerjahren nicht viel verändert – außer dem neuen Vordach, das erst 2007 errichtet wurde.

Zurück zu Kreisky: Was war seine Motivation, sich für das Center einzusetzen? Der Kanzler wollte Wien so zu einer „Stadt des Friedens und der Verständigung“ machen. 1979 stimmte auch der Ministerrat dafür. Doch dann witterte die ÖVP – vor allem Generalsekretär Michael Graff – die Chance, die SPÖ unter Druck zu setzen und startete die Anti-Kongresszentrum-Aktionen. Die Argumente: Zu teuer, fehlender Bedarf. Das Ergebnis: siehe oben.

Ironie des Schicksals: Die eingangs erwähnte Eröffnung des – mit arabischen Geldern gebauten – Kongresszentrums im Mai 1987 blieb auch nicht ohne Eklat. Die internationale Gemeinschaft war verstimmt, weil der damalige ÖVP-Vizekanzler und Außenminister Alois Mock sich nicht überzeugen ließ, an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Immerhin sei seine Partei vehement gegen das Zentrum gewesen. So blieben den Jubelfeiern ausgerechnet die politischen Protagonisten der Errichtung fern: Mock und Kreisky.


Nuklearer Sündenfall. Ein anderer Monumentalbau Kreiskys wurde freilich überhaupt nie eröffnet – das Atomkraftwerk im niederösterreichischen Zwentendorf. Errichtet in der festen Überzeugung, dass Österreichs Energiezukunft in der Kernenergie liege, ist die 15Milliarden Schilling (1,09Milliarden Euro) teure Anlage heute ein Stück Demokratiegeschichte. Bei einer Volksabstimmung am 5.November 1978 stimmten 1,6Millionen Menschen gegen die Inbetriebnahme des Kraftwerks: mit 50,47Prozent die hauchdünne Mehrheit. Viele davon wollten Kreisky mit ihrem „Nein“ einen Denkzettel verpassen: Der Kanzler hatte angekündigt, bei einer Mehrheit gegen das AKW zurückzutreten – was er freilich erst fünf Jahre später, nach seiner Wahlniederlage 1983, tun sollte.

In Zwentendorf gab es damals eine klare Mehrheit für die Aktivierung des AKW: Mehr als 60Prozent der Zwentendorfer stimmten für Kreiskys Kraftwerk, erinnert sich der heutige Bürgermeister der 4000-Einwohner Gemeinde, Hermann Kühtreiber: „Zwentendorf hat während des Baus gute Erfahrungen gemacht – die ganze Bevölkerung verdiente gut an den Arbeiten und schätzte die rund 200Arbeitsplätze, die das AKW geschaffen hätte.“

Trotzdem: Heute ist man froh, dass Zwentendorf nie in Betrieb gegangen ist: Der GAU von Tschernobyl 1986 hat praktisch alle österreichischen Verfechter der Atomkraft eines Besseren belehrt. In den gespenstisch stillen Hallen das Kernkraftwerks Zwentendorf lässt die EVN, die die Anlage vor Kurzem erworben hat, deutsche Nuklearingenieure in der sicheren Umgebung des nie eingeschalteten Reaktorschachtes üben.

Auf dem weitläufigen Areal hat die niederösterreichische Energiegesellschaft die größte Solarenergieanlage des Landes errichtet, die den Ruf Zwentendorfs als Energiegemeinde endgültig zementiert hat. Zwei Kilometer von dem AKW-Kadaver an der Donau entfernt ragt das Kohle- und Gaskraftwerk Dürnrohr über das Tullnerfeld, das 1987 als Ersatz für das Kernkraftwerk in Betrieb genommen wurde. Dazu kommen noch das nahe Donaukraftwerk Altenwörth, Niederösterreichs größte Müllverbrennungsanlage, ein Bioethanolwerk und eine Biogasanlage, die heute alle in Zwentendorf Energie erzeugen: Kreisky hat dem Ort seine Bestimmung gegeben – ausgefüllt hat er sie selbst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2010)

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