Adresse: Armbrustergasse Nr.15

Sonntagsspaziergang. Wo atmet man noch heute die »Geschichten vom Doktor Kreisky«? Am einfachsten in seiner berühmten Villa in Oberdöbling: Für Peter Kreisky ist es das Elternhaus, für die politische Prominenz war's zeitweise der Nabel der Welt.

Lernen Sie Geschichte, Herr Reporter“, hatte Bruno Kreisky einst gegrantelt und einen von uns Journalisten gemeint. Den Ulrich Brunner. Das war im Februar 1981. Und da wir lernwillig sind, spazieren wir mit seinem Sohn Peter einfach die Grinzinger Straße hinauf, biegen rechts in die Armbrustergasse ein. Da ist schon die Nr.15, das schwarze Vorgartengitter, dahinter, zurückgesetzt, die Kreisky-Villa.

Eine Immobilie mit prachtvollem Garten, der den halben Häuserblock einnimmt. Ein fürstliches Anwesen für einen sozialistischen Funktionär. Nur der Pool ist verschwunden. Es dient heute dem „Bruno Kreisky Forum für internationalen Dialog“, das Gertraud Auer Borea d'Olmo leitet. In früheren Zeiten spielte sich hier Politik bei Frittatensuppe und Tafelspitz ab. Beileibe nicht nur die kleine österreichische Innenpolitik.

1954 waren die Kreiskys hier als Mieter eingezogen: Vater Bruno, damals schon Staatssekretär, Mutter Vera, Sohn Peter, Tochter Suzanne. Peters Vaterhaus somit. Er wohnte auch nach seiner Heirat mit der Politologin Eva im Erdgeschoß, wo jetzt die Garderobe des Instituts ist. 1971 ist das Ehepaar dann ausgezogen.

Das Vorzimmer im ersten Stock. Sehr groß ist es heute, hell, viel Holz, viel Metall, viel Glas. Früher hing da am Haken der schwere graue Wintermantel mit dem Pelzkragen. Da steckten der Spazierstock mit dem Silberknauf im Schirmständer. Darüber, auf der Hutablage, war die üppige Sammlung von Homburgs zu bewundern. Braun, dunkelblau, schwarz. Der altväterische, nicht uneitle Herr bezog sie stets bei Habig. Die Firma gibt's schon lang nicht mehr.

Der Salon. So viel Geschmack die Kreiskys perfektionierten, die Wohnaccessoires waren wenig spektakulär. Groß musste das Zimmer sein, für viele Gäste, praktisch und haltbar das „Meublement“, wie „er“ das nannte. Aber bequem – auch für die Boxerhunde Goliath und Bianca, die so gut wie alles tun durften. Der Kanzler liebte diese extrem gutartigen Tiere, die wahrscheinlich jeden Dieb freundlich begrüßt hätten.

Das kräftig mit Tulpen gemusterte Sofa (Design Josef Frank) in der Zimmermitte. Hausfrau Vera liebte diese kräftigen Farbtupfer. Es handelt sich um ein Duplikat. Das Original besitzt Sohn Peter („recht durchgesessen“). Ja, auch Oskar Kokoschkas Dankesbrief hängt noch gerahmt neben dem offenen Kamin. Und das ist kein Duplikat.

Kreisky hatte es sich 1974 in den Kopf gesetzt, den weltberühmten Künstler für Österreich zurückzugewinnen. Kokoschka war Besitzer eines britischen Passes. Doch der in der Schweiz lebende Maler war zu stolz, darum zu bitten. Außerdem hatte er keinen Wohnsitz in Österreich. Also meldete ihn Kreisky ohne dessen Wissen einfach als Untermieter in der Armbrustergasse an. 1974 konnte Kreisky dem verdutzten Künstler die neue Staatsbürgerschaftsurkunde übermitteln. Und Kokoschka antwortete gerührt und amüsiert über diesen Handstreich, wodurch „ich noch lebendig der Republik Österreich einverleibt wurde“.

Peter Kreisky, jetzt im Pensionsalter, erinnert sich beim Rundgang durch sein Elternhaus an die politischen Diskussionen mit dem Vater. Der Vietnamkrieg der USA, die Debatte um Atomkraft, der Umweltschutz, die Kärntner Ortstafelfrage – das waren Streitpunkte zwischen Alt und Jung. In Wahrheit aber war der Vater stolz auf den politisch hyperaktiven Sohn, weil ihn das an seine eigene Jugend in der illegalen SJ erinnerte. „Manchmal hat er gesagt, ihr Jungen müsst aktiver werden.“ Peter tat es. Er war Wiener Obmann der Sozialistischen Mittelschüler, dann der „roten“ Studenten. In einer Kampfabstimmung gewann er 1965 gegen die „Nachfahren der rechten Gruppe um Androsch“.

Seine Berufszeit verbrachte Kreiskys Sohn in der Arbeiterkammer. Aber politisch hat er nie aufgegeben: Und wohin dürfen wir ihn nach unserem Spaziergang bringen? „In den Republikanischen Club.“ War uns eine Ehre.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2010)

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