Die Insel des Alten

Insel Alten
Insel Alten(c) GEPA (Franz Pammer)
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Als Bruno Kreisky auf Mallorca ein Häuschen kaufte, war er Trendsetter. Heute ist die Insel von Teutonenprominenz besetzt – und wird den Prolofaktor nicht los.

Das Raunen hebt an und das Gedränge nimmt sprunghaft zu, als die Lady ihren Fuß auf die oberste Stufe der Treppe setzt. Langsam, Hüftschwung um Hüftschwung, geht's im Klicken der Blitzlichter lasziv treppab.

Viele haben hier schon vom Roten Teppich geträumt, vom Glamour, der sich auf den Namen dieser Insel nicht reimen will. Ein ums andere Mal die Erwartung, endlich auch Monaco zu sein, Saint Tropez, wenigstens Elba. Nun ist's so weit, wenngleich weniger mit Stil, dafür mit mehr Sex. Warum sonst sollte Paris Hilton hier Werbung für einen Tiroler machen, der Prosecco in Dosen füllt, wenn nicht weil Mallorca der neue Pol im internationalen Jetset-Atlas ist?

Unbestritten: Seit den 90ern wurde die Insel zum kleinen Dorado für Promis. Seit 2006 gilt das eingeschränkt selbst für die USA: Paris Hilton kam zweimal, Goldie Hawn und Eva Longoria waren ebenfalls da. Das setzte dem vor allem deutschsprachigen „Prommi-Faktor“, wie ihn die Insel-Blätter nennen, gleich eins drauf. Germanen wie Boris Becker mit Finca in Artá und Uwe Ochsenknecht (Sa Coma) sind schon lange da, ganz zu schweigen von „Urmallorquinern“ wie Claudia Schiffer (Camp de Mar). Oder Roberto Blanco, Heino, Dieter Bohlen, Reinhard Fendrich.

Bruno war schneller. Deutschlands späterer Kanzler Gerhard Schröder kam schon in den 90ern, wurde aber von seinem austriakischen Prä-Pendant Bruno Kreisky klar auf die Plätze verwiesen, doch dazu später. Man sah Prinz Charles zu Wasser. Das erste Haus an der Costa d'en Blanes, das Fünf-Sterne-Hotel Mardavall, wo Paris Hilton ihren Auftritt hat, beherbergte schon die Altkanzler Helmut Kohl und Helmut Schmidt. Seit jeher verbringt Spaniens König Juan Carlos den Sommer hier, und so wandelt sich Mallorca im August zu Spaniens Gravitationszentrum, in das es Madrids Schickeria zieht; sogar der Ministerpräsident tritt an.

Dennoch: Mallorca wurde das Image des Billigtourismus nie los. Die Behörden entzogen den Saufhochburgen an der Playa de Palma die Lizenzen, konfiszierten Lautsprecher und Sangría-Eimer, schickten berittene Polizisten auf die Promenaden. In der Vorstellung mitteleuropäischer Pauschaltouristen aber dröhnt bei „Mallorca“ vornehmlich das Johlen aus dem „Oberbayern“ des Barden Jürgen Drews („König von Mallorca“).

Roter Trendsetter. Vom Imagemalus ließ sich Bruno Kreisky zeitlebens nie abschrecken, im Gegenteil: Als er sich Ende der 70er auf Anraten seines Cousins Kurt hier niederließ, war er ein Trendsetter. Und zu Zeiten, als manch Prominenter seine Finca hier besaß, es ihm aber peinlich war, darüber zu reden, lebte er dort ohne Scheu vor Medien. Touristen konnten ihn beim Gang zum Bäcker abpassen.

1979 schon wohnte er in Calvià (heute 50.000 Bewohner) im Westen von Palma, im Ortsteil Costa d'en Blanes (2100 Einwohner), der sich von der Küste einen Hang hinaufzieht. Er habe sich ein „kleines Häusl“ zugelegt, sagte Kreisky, auch wenn Böslinge von „Villa“ sprachen, was nicht stimmt: Die Liegenschaft oberhalb des Sporthafens Porto Portals hat etwa 800 m2 und 100 m2 Nutzfläche, später durch Zubauten erweitert. „Jessas, hab ich ja ein größeres Häusl in Krems“, sagte einmal ein Besucher.

Günstiger als Kärnten.Im Übrigen war alles auch eine Preisfrage, wie „der Alte“ in seinen Memoiren schrieb: „Für denselben Betrag hätte ich mir in Kärnten höchstens ein komfortableres Schrebergartenhaus leisten können“. Und: In Österreich habe er in seiner Freizeit keine ruhige Minute gehabt. Aber auch hier spielte sich viel ab: Zweimal kam PLO-Boss Arafat, auch Politiker wie Spaniens damaliger Premier Gonzáles hockten auf der Terrasse. Journalisten gewährte er noch lange nach seiner Kanzlerschaft Audienzen unter balearischer Sonne.

Das relativ schlichte Häuschen blieb in Familienbesitz. Man habe es renoviert, meint sein auch schon wieder 65-jähriger Sohn, Peter Kreisky. „Ich bin so zweieinhalb Monate im Jahr hier“, sagt der pensionierte Sozialwissenschaftler und frühere Aktivist gegen das AKW Zwentendorf, das Projekt seines Vaters. „Meine Frau Eva verbringt hier noch mehr Zeit. Sie lehrt an der Uni, also braucht sie das“, schmunzelt er.

Labor des noblen Neuen. Costa d'en Blanes und Porto Portals sind heute Labors des neuen Nobel-Mallorca: Man bucht zumindest einen Tisch im britisch geführten Club „Mood“. Designt von der Frau von Filmstar Dolf Lundgren, kommt kein Charity-Event oder Golfturnier mehr ohne Party hier aus, während im Frühjahr auf dem benachbarten Grundstück Matches etwa mallorquinischer Tennisstars wie Rafael Nadal und Carlos Moyá ausgetragen werden. „Für den guten Zweck.“

Schillernder noch der künstliche Jachthafen: Hier parken Rolls-Royces und Jaguars vor haushohen Jachten, bieten Makler Fincas für 20 Millionen Euro aufwärts an. Im „Tristan“ tafelt Spaniens Kronprinz Felípe, auf der Dachterrasse der Ritzi-Lounge nippen Chanel-uniformierte Damen am Cava.

Russen, bitte kommen! Doch wahrer Jetset? Nein, klagen Makler, die gern mehr Fincas an reiche Russen verkaufen möchten und mäkeln, dass weder Prada noch Gucci auf der Insel vertreten sind. „An der Côte d'Azur kostet so ein Anwesen 100 Millionen Euro und mehr, davon sind wir weit entfernt.“„Nein“, sagt auch der Hedgefonds-Manager und Neckermann-Erbe Florian Homm, der es wissen muss, weil er sein Leben mit Reichen verbracht und viel verdient hat. „Mallorca ist in allem gut bis sehr gut, aber nirgends spitze.“ Jahrelang managte er sein Imperium („Absolute Capital Management“) von einem Vorort Palmas aus, in einer Villa mit Blick auf Meer und Kathedrale.

Vor drei Jahren tauchte er unter. In den USA wirft man ihm Betrug vor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2010)

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