Erstmals wird in dem zentralafrikanischen Land ein Ebola-Fall in einer Millionenstadt bestätigt. Bisher starben bis zu 23 Menschen, die Angst vor einer Ausbreitung wächst.
Kapstadt. In der Geschichte der Metropole Mbandaka im Nordwesten des Kongos findet sich das ein oder andere dunkle Kapitel. Mitte der Neunziger Jahre wurden hier Hunderte ruandische Flüchtlinge, die meisten davon Hutus, von Rebellen massakriert. Heute zählt die 1,2-Millionen-Stadt am Äquator zwar nicht zu den vielen Konfliktregionen im Kongo. Aber das Leid seiner Bewohner ist enorm, es mangelt an Elektrizität und sauberem Wasser. Sie leben an einem jener Orte, an dem man bei ernsten Krankheiten mehr Hoffnung in Gebete als Krankenhäuser legt.
Am Mittwoch hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nun den ersten Ebola-Fall in Mbandaka bestätigt. Damit habe der aktuelle Ausbruch des gefährlichen Virus „eine neue Phase“ erreicht, bekannte Kongos Gesundheitsministerium. Bisher galt die Situation als weitgehend kontrollierbar.
Neunte Ebola-Epidemie
42 Menschen haben sich in den vergangenen Wochen womöglich mit dem Erreger angesteckt, 23 davon starben. Das schließt jedoch auch unbestätigte Verdachtsfälle mit ein, als Todesursache wurde das Virus bislang nur in zwei Fällen zweifelsfrei nachgewiesen. In einigen Fällen gleichen die Symptome einer Malaria-Erkrankung.
Die Behörden sind erfahren, es ist die neunte Ebola-Epidemie im Kongo. Auch diesmal nahm sie Ausgang in einer abgelegenen Region, fernab größerer Handelsrouten. Die Ausbreitung galt als unwahrscheinlich, zumal die WHO schnell reagierte und Mittel freigab, um Patienten mit Symptomen zu behandeln und zu isolieren.
So sicher ist man sich nun nicht mehr. Die Hafenstadt Mbandaka liegt am Ufer des Kongo-Flusses, über den Waren in die Hauptstadt Kinshasa verschifft werden. Die Menschen sind hier mobiler als in den Dörfern, die Bevölkerungsdichte ist höher – keine guten Voraussetzungen für die Suche nach Personen, die mit Erkrankten in Kontakt gekommen sind.
Schon jetzt schätzen Behörden und Hilfsorganisationen die Zahl der Bürger, die mit Infizierten in Kontakt gekommen sein könnten, auf 500 bis 4000. Sie müssten bis zum Ende der dreiwöchigen Inkubationszeit regelmäßig auf Symptome untersucht werden. Zu längst nicht allen konnte Kontakt hergestellt werden.
Am anderen Ufer, gegenüber von Mbandaka, ist die Grenze zum Nachbarland Kongo-Brazzaville. Eine Ausbreitung auf mehrere Länder, das hat der Ebola-Ausbruch 2014 mit 11.300 Toten in Liberia, Sierra Leone und Guinea gezeigt, würde die Koordination der Gegenmaßnahmen erschweren.
WHO schickt Impfstoff
„Mit dem Fall in Mbandaka ist die Situation äußerst besorgniserregend geworden, da die Krankheit erstmals eine Stadt erreicht hat“, sagt Henry Gray, Notfallkoordinator von „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF). Derzeit sind von der Hilfsorganisation 50 Tonnen Materialien auf dem Weg in die Stadt, MSF baut zwei Behandlungszentren mit jeweils 20 Betten auf.
Anders als bei der Krise in Westafrika versucht die WHO bisher alles, um sich keine Blöße zu geben. Generaldirektor Tedros Ghebreyesus reiste persönlich ins Land, um sich ein Bild zu machen. Am Mittwoch kam zudem eine Lieferung mit 4000 Portionen des Impfstoffs rVSV/ZEBOV-GP in Kinshasa an, weitere 4000 sollen bald folgen. Das Medikament ist noch nicht lizenziert, war aber bei Behandlungen der Großepidemie in Westafrika erfolgreich. Schon ab der kommenden Woche soll es, das Einverständnis der Patienten vorausgesetzt, verabreicht werden.
Noch herrscht Optimismus, das Virus bald zu stoppen. Doch Raum für Fehler bleibt keiner.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2018)