Leitartikel

Die neuen Zeiten im ORF sind blauer und gröber

ORF Stiftungsrat
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Der ORF-Umbau der Bundesregierung ist beinah fertig. Den Stiftungsrat führt jetzt ein FPÖ-Mann, der verbal manchmal so ausreitet wie ein Mini-Trump.

Der ORF hat erstmals einen blauen Aufsichtsratschef – oder wie es manche zwar formal inkorrekt, aber treffend formulieren: „Die FPÖ übernimmt die ORF-Chefetage.“ Am Donnerstag wurde mit Norbert Steger der ehemalige FPÖ-Parteichef und Vizekanzler zum Vorsitzenden des Stiftungsrats bestellt. Das ist wichtig, weil das 35-köpfige Gremium das mächtigste Aufsichtsorgan des ORF ist, das alle fünf Jahre den Generaldirektor bestellt und ihn jederzeit absetzen kann. Und es ist paradox, weil nun eben jene Partei die oberste ORF-Aufsicht hat, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach Aussagen ihres Parteichefs verkleinern und ihm den Geldhahn zudrehen will. Wetten, dass die neue blaue Stärke im ORF nun ganz neue, liebevolle Gefühle für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den FPÖ-Reihen entfachen wird?

Schluss mit der Liebe, zurück zur Sitzung im ORF-Zentrum am Donnerstag. Dort wurde der seit der Nationalratswahl dauernde Umbau des Stiftungsrats abgeschlossen. Die türkis-blaue Bundesregierung hat nun mit 23 von 35 Stimmen eine satte absolute Mehrheit. Bemerkenswert, dass Steger dennoch das schlechteste Ergebnis aller Stiftungsratsvorsitzenden (seit 2001) einfuhr: 25 Ja-, neun Gegenstimmen und eine Enthaltung.

Fast fertig ist auch der Umbau der TV-Information: Generaldirektor Alexander Wrabetz wird bald bekannt geben, wer die neuen Channelmanager und Chefredakteure von ORF eins und 2 werden. Doch die Redakteure wünschen sich zum Teil ganz andere Namen als die Regierung. Der bisherige Chefredakteur, Fritz Dittlbacher, erhielt in der Redakteursversammlung am gestrigen Mittwoch 48 von 108 abgegebenen Stimmen der Mitarbeiter, der Favorit der Regierung, Matthias Schrom, nur neun. An das Votum der TV-Mitarbeiter muss sich Wrabetz nicht halten. Die Bestellung eines Chefredakteurs ist eben auch keine Wahl zum Klassensprecher, die immer der beliebteste Mitschüler gewinnt. Aber selbstredend, dass die Wünsche aus der Politik auch keinen Einfluss darauf haben sollten.

Doch der erwartbaren Aufregung über den ersten blauen Oberaufseher in der Geschichte des ORF und von der Politik favorisierte ORF-Manager sei entgegengehalten: Umfärbungen wie diese sind nicht neu. Auch Fritz Dittlbacher war 2010 der Wunschkandidat der damaligen Kanzlerpartei, der SPÖ. Wer was im ORF wird, war immer schon Ergebnis von Absprachen zwischen Ballhausplatz und Küniglberg. Wer das jetzt beklagt, sollte das zumindest auch im Rückspiegel tun. Eher neu ist nur, dass die FPÖ jetzt mehr mitmischen kann als bisher. Oder: dass ihr Regierungspartner ÖVP sie lässt.

Richtig putzig ist hingegen, wenn Politik, Stiftungsrat und ORF-Führung bei neuen Postenbesetzungen immer noch so tun, als ginge es nur um fachliche Qualifikation und die Frage, das beste Fernsehen zu machen. Wer soll das noch glauben? Alles vorher Geschilderte beweist: Das Gegenteil ist der Fall. Dabei hat der ORF sehr wohl auch gute Mitarbeiter und Führungskräfte, die ausgezeichnetes Fernsehen machen wollen. Das Problem ist nur – der misstrauische GIS-Zahler und Politik-Beobachter glaubt es auch ihnen immer weniger.

Und die neue Regierung, die für Anfang Juni alle Spieler großzügig zu einer „Medienenquete“ ins Wiener Museumsquartier einlädt, hat sich ebenso fürs Erste die Chance genommen, eine echte Reform im ORF zu starten. Macht stattdessen genauso wie weiter bisher. 

Noch ein paar Worte zu Steger: Es wäre ja fast sympathisch, dass sich dieser Mann verbal eher nicht zurückhält. Würde er dabei nicht wie ein Mini-Trump erscheinen, wenn er ORF-Journalisten mit Entlassung droht oder mit Sagern wie „linker Endkampf“ irritiert. Immerhin wirkt er dabei nicht automatisch als verlängerter Arm der FPÖ. Im Gegenteil, die Partei wird sich noch wundern, wie wenig Steger nach ihrer Pfeife tanzt. Fakt ist aber auch: Der Mann ist 74 Jahre alt und wurde zum Oberaufseher des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestellt. Für einen Sender, der in den nächsten Jahren vor allem bei Programm und Technik vieles neu denken muss, um zu überleben, ist das wahrlich kein Zeichen für Erneuerung. Aber die Regierung wird schon wissen, warum sie ihn für dieses Amt ausgewählt hat.

E-Mails an: anna.wallner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2018)

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