Schein und Sein

Influencer: Das Leben der anderen

(c) Instagram/@gracecapristo
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Sie sind Mitte 20, tragen Designermode, machen feine Reisen, leben in schicken Appartements. Sie geben vor, bloß zu tun, was sie lieben. Zigtausende Follower glauben ihnen das.

Es gebe „nichts Schöneres, als sich abends durch eingegangene Nachrichten zu lesen, Interesse zu wecken und sich eine Gruppe an Menschen aufzubauen, die wiederkommen, weil sie spannend finden, was du kreierst.“

Die da so blumig ihren Traumjob beschreibt, heißt Marie Luise Ritter (25), ist von Beruf Influencerin und hat sich mit ihrem Blog luiseliebt einen Namen gemacht. Ritter postet Fotos von ihrem Mops im Hängesessel, der ganz zufällig der Kollektion eines Kooperationspartners entstammt. Noch lieber postet sie Bilder von sich selbst auf feinen Reisen in schicker Mode, deren Marken und Preise sie bereitwillig nennt, sofern sie sie nicht im eigenen Onlineshop vertreibt. 63.000 Follower bejubeln Ritters Geschmack – und kaufen, was immer sie trägt.

Der Beruf des Influencers ist ein Werbemodell, gedacht für die ganz Jungen, die gegen klassische Werbung resistent sind. Stattdessen schenken sie ihr Vertrauen einem Social-Media-Idol, das sie für „eine von uns“ halten. Influencer sehen so aus, wie man selbst gern aussehen würde, und sie führen das Leben, das man selbst gern führen würde. Weil sie ihre Follower aber vermeintlich persönlich ansprechen und sogar auf deren Kommentare antworten, hält man sie für eine Freundin – für eine berühmte Freundin –, die alles ist, was man selbst gern wäre.

Traumhändler

Influencer verkaufen Träume. Die wörtliche Übersetzung, „Beeinflusser“, hören sie nicht so gern, lieber sehen sie sich als „Inspirateure“. Dazu kann man stehen, wie man will – sicher ist, dass sie ein knallhartes Geschäftsmodell verfolgen. Über das sollte man nachdenken – bevor man sich im vermeintlichen Traumjob verliert.

► Auch wenn medial gehypte Influencer-Bootcamps anderes suggerieren: Der Markt ist gesättigt. Die besten Chancen haben noch schmale Nischen mit konsumtechnisch interessanter Gefolgschaft. Kernfrage: Was ist mein USP?

► Ein technisch professioneller Auftritt ist Pflicht. Dazu gehören eine Domain mit Blog (WordPress, HTML), Plug-ins, Mailadresse, Instagram- und andere Social-Media-Accounts, gute Kamerahardware und Bildbearbeitungssoftware, SEO, SEM und ein ausgefeilter Contentplan.

► In der Wunschvorstellung kommen schon nach den ersten Blogbeiträgen Kooperationsanfragen. In der Realität betreibt der Neuling Kaltakquise und klopft mit seinem Mediakit bei Vertreibern von Markenartikeln an. Das Mediakit ist das Pendant zum Lebenslauf: eine Selbstpräsentation im PDF-Format, im Layout des Blogs, gespickt mit aussagestarken Fotos und einem juristisch hieb- und stichfesten Kooperationsleitfaden (Preise und Geschäftsbedingungen). Richtwert: Selbst No-Names starten nicht unter 100 Euro pro Blogpost – je komplexer die Kundenvorgabe, desto teurer. Profis verkaufen ihre Fanbase über Tausender-Kontaktpreise (YouTube) und Followerzahlen (Instagram) um einige Tausend Euro pro Post.

► Hat der erste Kooperationspartner angebissen (Achtung vor Knebelverträgen!), muss die versprochene Leistung geliefert werden, sprich: sein Produkt in die eigenen Beiträge eingeflochten werden. Wer das plump anlegt, lässt sich fotografieren (Influencer haben zufällig immer einen Profifotografen an ihrer Seite), wenn er – schon wieder wie zufällig – mit dem Produkt im Fahrradkorb beschwingt durch die Gegend radelt. Produkte einigermaßen elegant in ihre Beiträge einzubauen, beherrschen nur wenige. So erntete die Influencer-Kampagne eines Waschmittelherstellers im Netz viel Häme. Wichtig: Werbung ist immer zu kennzeichnen.

Influencer sind Unternehmer. Als solche haben sie ihre Gewinne zu versteuern, Sachbezug anzumelden (selbst Waschmittel), Mehrwertsteuer abzuführen – und natürlich Versicherung zu zahlen.

Ob man das nun liebt oder nicht: BWL-Kenntnisse machen sich auch für Influencer bezahlt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2018)

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