Schweden: "Sex nur mit Zustimmung" wird Gesetz

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FILE PHOTO: Swedish Prime Minister Lofven addresses a news conference(c) REUTERS (Hannibal Hanschke)
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Das Parlament wird am Mittwoch voraussichtlich für eine deutliche Verschärfung der Gesetze gegen Sexualstraftaten stimmen.

Stockholm. Schwedens rot-grüne Regierung will härter gegen Sexualstraftaten vorgehen. Bislang führen nur relativ wenige Vergewaltigungsanzeigen im Land zu einer Anklageerhebung. 2016 waren es nur elf Prozent. Das soll sich ändern. Am Mittwoch soll eine deutliche Verschärfung der Gesetzgebung vom Parlament abgesegnet werden. Eine Mehrheit gilt als sicher. Ministerpräsident Stefan Löfven bezeichnete die Initiative als „historische Reform“. Am 1. Juli tritt sie in Kraft.

Im Rahmen vom „Samtyckeslagen“ (Einwilligungsgesetz) sollen mehr Fälle als Vergewaltigung gewertet werden als bisher. „Das neue Grundprinzip ist so: Es wird verboten sein, Sex mit einer Person zu haben, die nicht ausdrücklich Ja gesagt hat oder aktiv signalisiert hat, dass sie mitmachen will. Die Gesetzesänderung soll dazu beitragen, dass mehr Übergriffe als Vergewaltigung angesehen werden. Also auch Fälle, wo kein Nein vom Opfer vorliegt, die Handlung aber dennoch als unfreiwillig angesehen wird“, so Sofie Rudh, Sprecherin von Justizminister Morgan Johansson gegenüber der „Presse“. „Neben dem Grundprinzip muss letztlich immer jeder Richter selbst den einzelnen Streitfall beurteilen“, erklärt sie.

Neben der bereits bestehenden „weniger groben Vergewaltigung“, unter deren Verdacht etwa WikiLeaks-Gründer Julian Assange gestanden ist, werden die „unachtsame Vergewaltigung“ und der „unachtsame sexuelle Übergriff“ als neue Strafbestände eingeführt. Sie sollen mit Gefängnisstrafen von maximal bis zu vier Jahren geahndet werden. Die Minimalstrafe für eine „grobe Vergewaltigung“ und „grobe Vergewaltigung von Kindern“ wird von vier auf fünf Jahre erhöht. Dabei soll es dem Täter erschwert werden, geltend zu machen, dass ein minderjähriges Opfer physisch älter ausgesehen hat, als es tatsächlich war. „Die Botschaft ist einfach. Du musst dich bei der Person, mit der du Sex haben willst, erkundigen, ob sie Sex haben will“, erklärte Ministerpräsident Löfven das neue Gesetz. Schwedens Regierung hofft, neben mehr Verurteilungen auch eine vorbeugende, pädagogische Wirkung mit der Reform zu erzielen. Sexpartner sollen rücksichtsvoller werden. So ist auch eine Informationskampagne gegen sexuelle Übergriffe für 13- bis 25-Jährige vorgesehen.

Wirkungslose Symbolpolitik?

Vielen Kritikern gehen die Gesetzesverschärfungen nicht weit genug. So bezeichnete die Kommentatorin der Zeitung „GP“ diese als „wirkungslose Symbolpolitik“. Da weiter Wort gegen Wort stehen würde, könne man nicht mit mehr Verurteilungen rechnen. Anderen geht die Initiative zu weit. Der schwedische Gesetzesrat, der wichtige Gesetzesinitiativen vor ihrer Ratifizierung überprüft, lehnt das Einwilligungsgesetz gänzlich ab. Die Grenze zwischen Freiwilligkeit und Abhängigkeit sei zu unklar und zu sehr abhängig von der variierenden Beurteilung durch einzelne Richter. Der Vorschlag erfülle so nicht die für Gesetze vorgeschriebenen „Erfordernisse für Vorhersehbarkeit“. Die bestehende Gesetzgebung reiche aus, so der Rat. Traditionell folgen Regierungen seiner Empfehlung. In diesem Fall hat sich Stockholm dennoch für die Ratifizierung entschieden.

Auch Anne Ramberg, Chefin vom Anwaltsverbund, hält die Rechtssicherheit für gefährdet. „Das Gesetz verlangt ja, dass bei jeder neuen sexuellen Handlung immer wieder um Erlaubnis gebeten werden muss. Erwachsene wissen doch, dass man nicht vor jedem Akt verhandelt und ein Abkommen schließt“, sagte sie dieser Zeitung. „Große Bedeutung wird die Einführung der unachtsamen Vergewaltigung haben. Da muss es nicht um eine absichtliche Handlung gehen“, meint sie. „Wie soll ein einzelner Richter da entscheiden, was ein Ausdruck der Zustimmung ist?“, so Ramberg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2018)

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