Facebook-Farce im Europaparlament

Antonio Tajani und Marc Zuckerberg.
Antonio Tajani und Marc Zuckerberg.(c) AFP
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Marc Zuckerbergs Anhörung wurde zu einer inhaltsleeren Peinlichkeit. Schuld daran trägt Antonio Tajani, der halsstarrige Präsident des Parlaments.

Zyniker sagten es voraus, doch die Hoffnung stirbt zuletzt. War es wirklich unvermeidbar, dass die Anhörung von Marc Zuckerberg, dem Gründer und Chef von Facebook, keine neuen Erkenntnisse brachte? Keine verbindlichen Zusagen dieses mächtigen, aber in seiner Macht eben auch von den Vorgaben der Politik und der Gesetzgeber abhängigen Geschäftsmannes aus dem Silicon Valley?

Endlose Wortmeldungen, Ko-Referate eigentlich statt knackiger Fragen, gespickt mit hastig auf Google zusammengeklaubten literarischen Zitaten und der einen oder anderen Selbstbeweihräucherung: so verjuxten die auserwählten Parlamentarier ihre Gelegenheit, dem Facebookchef auf die Zehen zu steigen und als Fürsprecher der Bürger Europas für deren Datenschutz und Verbraucherrechte zu streiten.

Wäre es zu viel verlangt gewesen, wenn sich jeder der Abgeordneten angesichts der knappen eineinhalb Stunden, welche für die Anhörung eingetaktet waren, auf eine Frage konzentriert? Und hätte man Zuckerberg nicht jede dieser Fragen sofort beantworten lassen sollen, statt sie zu bündeln, wodurch er nach Belieben auslassen konnte, was ihm missfiel?

Denn die Schlüsselfragen zu Facebooks Umgang mit der Privatsphäre, dem öffentlichen Raum und der kommerziellen Verwertung beider waren im Wortgestrüpp der Abgeordneten enthalten: Sind Sie ein Monopol? Wieso sollen wir Sie nicht kraft Gesetzes zerschlagen? Werden Sie Ihre europäischen User für den Cambridge-Analytica-Datendiebstahl finanziell entschädigen? Wie viel Gewinnsteuern zahlen Sie in der EU? Wie verhindern Sie die laut EU-Recht verbotene Datenweitergabe zwischen den konzerneigenen Unternehmen Facebook und Whatsapp? Wer kontrolliert eigentlich die Tausenden Faktenchecker, mit denen Facebook gegen Desinformation und Fake News vorzugehen gelobt?

Schuld an dieser Farce trägt vorrangig Antonio Tajani, der christdemokratische Präsident des Parlaments. Er hatte in vorauseilendem Gehorsam Zuckerberg zunächst eine Anhörung hinter verschlossenen Türen zugesagt. Erst die Drohung der Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen, eine solche Geheimveranstaltung zu boykottieren, ließ ihn einer Liverübertragung zustimmen. Dass er sich nicht schämte, dieses Zugeständnis postwendend als eigene Initiative zu verkaufen, spricht Bände über das Selbstverständnis dieses Mannes aus dem politischen Stall von Silvio Berlusconi.

Doch die anderen Abgeordneten tragen Mitschuld an dieser Enquete der Peinlichkeit. Sie hätten sich abstimmen, die eigene Eitelkeit zugunsten pointierter Fragen unterdrücken können. Sie hätten vor allem darauf bestehen können, dass Zuckerberg sich einer Pressekonferenz stellt. Die Presse durfte dem Facebook-Chef, der sich gerne burschikos und zwangslos gibt und Lippenbekenntnisse über die wichtige Rolle der Medien dekliniert, nicht einmal beim Betreten des Anhörungssaales Fragen zurufen, wie das ansonsten üblich ist. Ja, der für sie zugängliche Aufzug im Parlament wurde gar für jenes Stockwerk blockiert, in dem die Anhörung stattfand.

Aber immerhin: die Damen und Herren Abgeordneten konnten Zuckerbergs Brüsseler Auftritt für ihre eigene Imagepflege melken. Nicht jeder tat es so instinktlos wie die schwedische Liberale Cecilia Wikström, die freudenstrahlend ein Selfie mit Zuckerberg schoss. Alle jedoch haben sie in ihrem selbst verkündeten Anspruch, Anwälte der Interessen der Bürger Europas zu sein, versagt. Heute in einem Jahr finden übrigens die nächsten Europawahlen statt. Man sollte sich diese beschämende Episode bis dahin in klarer Erinnerung behalten.

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